Ein kurzer Anruf, ein altes Problem
Seit es die ersten Zeitungen gab, lagen Journalismus und Politik in einem Spannungsfeld. Lange war die Machtverteilung klar: Was der Politik, also dem König, dem Fürsten, dem Bischof, nicht gefiel, wurde verboten. Das hat sich geändert: Heute wird der Presse eine tragende Rolle im demokratischen Prozess zugeschrieben. Dafür gibt es eine Reihe von Privilegien, die das ermöglichen sollen – etwa eine verminderte Mehrwertsteuer, ein Zeugnisverweigerungsrecht vor Gericht oder erschwerte Fusionen von Medienkonzernen, um ein Meinungsmonopol zu verhindern. Das alles basiert auf dem Artikel 5 des Grundgesetzes, der die Meinungs- und Pressefreiheit bestimmt.
Das ist die Theorie. Es gibt aber in Deutschland nicht nur einen Machtkampf zwischen Medien und Politik, sondern auch eine Schnittmenge. Die findet sich so deutlich wie sonst kaum in den öffentlich-rechtlichen Runfunkanstalten. Deren Rundfunkräte (beim ZDF: Fernsehrat) haben unter anderem folgende Aufgaben (hier am Beispiel des SWR):
„Der Rundfunkrat vertritt die Interessen der Allgemeinheit auf dem Gebiet des Rundfunks; dabei trägt er der Vielfalt der Meinungen in der Bevölkerung Rechnung. Er wacht darüber, dass der SWR seine Aufgaben nach diesem Staatsvertrag erfüllt […] und übt die ihm hierzu eingeräumten Kontrollrechte aus“
– §15.1 des Staatsvertrages über den Südwestrundfunk
In diesem Staatsvertrag findet sich auch eine lange Liste von Institutionen, die Mitglieder in den Rat entsenden dürfen. Darunter mit den meisten Vertretern: Die Regierungen und Landtage. Das heißt, dass einzelne Politiker nicht nur über Gesetze die Presse beeinflussen können, sondern ganz konkret als Mitglieder eines Rundfunk- oder Fernsehrates eine Kontrollfunktion innehaben.
Das scheint nicht zu reichen.
Hans Michael Strepp ist als Pressesprecher der CSU zurückgetreten, nachdem bekannt geworden war, dass er die Berichterstattung des ZDF über den bayrischen SPD-Parteitag verhindern wollte. Eine Weigerung des ZDF, so soll er gesagt haben, werde „Diskussionen“ mit sich führen. Der ehemalige Chefredakteur des ZDF erklärt das so:
„Wenn jemand beim ZDF mit Diskussionen droht, dann meint er damit die Behandlung des Falls im Programmausschuss Chefredaktion.“
Nikolaus Brender zu zeit.de
Das bedeutet: Der Sprecher einer Partei droht mit personellen Konsequenzen, um freie Berichterstattung zu verhindern – weil er sich der Machtposition seiner Partei bewusst ist. So sitzt etwa Alexander Dobrindt, CSU-Generalsekretär, im ZDF-Fernsehrat und dem Programmausschuss Chefredaktion. Das alles ist außerdem kein Novum.
Ist es nun ein „Interesse der Allgemeinheit“, dass Europas größte Sendeanstalt nicht über die größte Oppositionspartei in einem der größten Bundesländer berichtet? Außer Dobrindt sitzen seine Parteifreunde Angelika Niebler und Heinrich Traublinger im Rat, allerdings als Vertreter anderer Organisationen. Insgesamt sind es eben nicht nur die Vertreter von Bund, Ländern und Regierungen, die ein Parteibuch haben; viele Vertreter anderer Organisationen sind gleichzeitig Mitglied einer Partei.
Die Affäre um Hans Michael Strepp verdeutlicht nur noch einmal einen alten Kritikpunkt am öffentlich-rechtlichen Fernsehen: Wie sollen die Anstalten journalistisch integer und möglichst objektiv berichten, und das auch gerade über die Politik, wenn Teile ebenjener Politik in den Gremien sitzen, die ihre Tätigkeit überwachen?
Die privaten Runkfunkanstalten können diese Aufgabe nicht übernehmen, wenn sie sich mit dem Einhalten der Mindestanforderungen zufriedengeben (und außerdem bestehen die Landesmedienanstalten, die sie kontrollieren, auch zum Teil aus Politikern). Wie man es auch drehen oder wenden mag: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wurde absichtlich von der Bundesregierung abgekoppelt, um schwieriger beeinflussbar zu sein. Wenn er im Interesse der Allgemeinheit arbeiten soll, dürfen die Parteimitglieder in den Räten nur genau das tun, was ihre Position vorsieht – ihre Partikularinteressen korrumpieren den Journalismus.