In Ferguson müssen Journalisten nerven

Es steht schlimm um die freie Presse, wenn ein Reporter der Washington Post so etwas schreibt:

Wesley Lowery und Ryan J. Reilly von der Huffington Post wurden vergangene Woche in Ferguson, Missouri, in einem McDonald’s-Restaurant verhaftet und kurz darauf wieder freigelassen, sagen sie. Die schwerbewaffneten Polizisten hätten das Restaurant geräumt, Lowery habe sie dabei fotografiert. Daraufhin hätten sie verlangt, seinen Ausweis zu sehen, was er (legalerweise) verweigert habe. Als er den Inhalt seiner heruntergefallenen Tasche zusammenräumen wollte, hätten die Polizisten ihn gegen eine Getränkemaschine gerammt.

“My hands are behind my back,” I said. “I’m not resisting. I’m not resisting.” At which point one officer said: “You’re resisting. Stop resisting.”

That was when I was most afraid — more afraid than of the tear gas and rubber bullets.

Viele weitere Journalisten wurden in der vergangenen Woche im amerikanischen Heartland festgenommen, darunter auch deutsche. Einige wurden mit nicht-tödlicher Munition beschossen („Bean-Bag Rounds„), andere gerieten ins Tränengas der Polizei. In diesem Video sieht man, wie eine Kamera-Crew von Al Jazeera vor einer solchen Attacke flieht. Nach Aussage des Reporters wusste die Polizei auch, dass es sich um Journalisten handelte.

Nachdem Polizisten am 9. August einen Jugendlichen in Ferguson, einem Vorort von St. Louis, erschossen hatten, waren Unruhen ausgebrochen, für deren Vehemenz auch die Polizei beschuldigt wird. In panzerähnlichen Fahrzeugen, in Gasmasken und mit beängstigenden Waffen hatte sie versucht, die Proteste zu unterdrücken. Nach einigen Tagen hatte eine Landesbehörde ihre Kompetenzen übernommen; mittlerweile ist auch die National Guard im Einsatz – erfolglos.

Was bedeutet das für die Pressefreiheit in dem Land, das sich seiner unbedingten Verehrung für das First Amendment rühmt?

AP Photo/Jeff Roberson, via businessinsider.com

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bei Protesten, die in Gewalt ausarten, muss auch die Polizei die Unversehrtheit der Anwesenden mit den Rechten der Journalisten abwägen. Sie darf keine einzelnen Journalisten eines Ortes verweisen, sie darf aber alle Menschen eines Ortes verweisen, wenn das der Sicherheit dient. Im Falle von Wesley Lowery spielte sich die Szene dazu auf privatem Grund ab; der Besitzer oder Geschäftsführer eines Restaurants kann verlangen, dass jemand geht. Wäre dann aber die Härte des Einsatzes gerechtfertigt? Ob die temporären Festnahmen in diesem Fall rechtens waren, ist schwer festzustellen. Die Polizei darf aber keine Journalisten an ihrer Arbeit hindern, weil sie Journalisten sind. Wenn eine Tränengasgranate direkt beim Kameramann eines Filmteams landet, kann man an ein Versehen glauben oder Absicht unterstellen – vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass die Polizei, wie im Video zu sehen, die Kamera auf den Boden richtet, nachdem die Crew weggerannt war.

Was auch immer herauskommt, wenn man die vergangene Woche in Ferguson juristisch betrachtet: Die Arbeit der Polizei hinterlässt einen fahlen Geschmack im Mund. Schon aus Eigeninteresse sollte sie es tunlichst vermeiden, für weitere Skandale zu sorgen, die – so ja das Wesen der Medien – überall bekannt werden. Die Behörden scheinen mit der Situation überfordert. Aus ihrer Sicht nerven Journalisten wahrscheinlich; stellen Fragen, stehen im Weg herum. Das müssen sie aber tun, denn die Unruhen in Ferguson stehen für vieles, das in den Vereinigten Staaten falsch läuft. Vielleicht braucht es ein extremes Beispiel, das zum Handeln aufruft. Dieses Beispiel kann aber nur öffentlich werden, wenn Journalisten nervige Fragen stellen.

Dabei machen sie auch einen guten Job, meint Richard H. Weiss, früher Redakteur beim St. Louis Post-Dispatch. Aber genau das sei eben ihr Job, und sie sollten dabei auch bescheiden bleiben: Die Anerkennung kommt mit den guten Storys, nicht mit Auftritten auf CNN, sagt Weiss.

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