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Während deutsche Medien noch überlegen, wie sie Leser auf ihren Online-Auftritten halten und einbinden können, gibt es in den USA dafür schon seit 2009 ein Vorbild – mit einem bitteren Nachgeschmack.

Unter den drei großen Nachrichtensendern ist Fox News das konservative Gegengewicht zwischen dem liberalen MSNBC und CNN in der Mitte. Während der Sender journalistisch selbst schon umstritten ist, ist seine Sparte Fox Nation ein noch besseres Beispiel für die Schere zwischen Anspruch und Realität.

Die Website verlinkt zu Artikeln und Videos zu aktuellen, meist politischen Themen, häufig geschrieben von Fox News-Lieblingen wie Bill O’Reilly. Der Tenor der Seite bedient dabei die Ängste der weißen, konservativen, christlichen Republikaner-Wählerschaft – im Moment beherrscht ObamaCare die Startseite. Als Beispiel von den Anfangstagen der Seite: die Überschrift „Why Aren’t White Males Being Considered for Supreme Court?“ vor einem Bild der neun Richter (von denen sieben weiße Männer sind). Die Überschriften und Teaser für die Links sind marktschreierisch und stellten teils den Inhalt der Links missverständlich dar.

Fox Nation ist damit im Prinzip ein konservativer Link-Blog. „We’re calling it a mix between the Huffington Post and Drudge“, sagte ein Sender-Chef zum Start der Website. Was er meinte: Von der Huffington Post will die Seite die Kommentar-Kultur übernehmen, vom Drudge Report den strikt konservativen Einschlag und die Links auf andere Medien. 

Von Kultur kann aber keine Rede sein, wenn es um die Kommentare geht. Das hochtrabende „Mission Statement“ behauptet:

The Fox Nation is committed to the core principles of tolerance, open debate, civil discourse, and fair and balanced coverage of the news. It is for those opposed to intolerance, excessive government control of our lives, and attempts to monopolize opinion or suppress freedom of thought, expression, and worship.

Tatsächlich sind die meisten Kommentare eine Mischung aus Satzfragmenten, Off-Topic-Textblöcken, persönlichen Angriffen auf andere Nutzer und Beleidigungen von Politikern – meist Barack Obama. Der Einschlag ist, wohl wie gewünscht, deutlich konservativ, liberale Einwürfe werden meist niedergeschrieben. Die Huffington Post hatte kurz nach dem Start der Seite diese Kommentare zusammengetragen:

I can’t believe people still don’t get what animals muslims are. They will not stop until they’ve killed us all and ended our way of life. I will never forget what they did to us on 9/11. It’s either us or them people!!!

If Mr Obama wants a democratic presidency, why doesn’t he let „The People“ vote for whether or not „WE“ want Muslims in this country at all! He is making a mockery of the office of „President“. What a disgrace.

YOU SAY OBAMA I SAY OSAMA YOU SAY BIN LIDEN I SAY BIN BIDEN YOU SAY TERRORIST I DSAY PRESIDENT!!!!!!!! WOW , IS THERE ANYTHING HE CANT DO BESIDE RUIN ONE HECK OF A LIFE.

Can anyone say Manchurian Candidate?

kill all ragheads

Osama Muslin HUSSIEN Terrarist!!!!!!!!!!!!

Aber schon Fox Nation selbst zögert nicht, zu beleidigen: Ungläubig fragt etwa eine Überschrift: „Rachel Madd-Cow Gets a Grammy Nomination?“ Rachel Maddow ist eine Moderatorin des Konkurrenzsenders MSNBC. Die politische Agenda der Seite wird auch in ihrer Berichterstattung deutlich. Vor der Präsidentschaftswahl im Herbst 20012 berichtete Fox Nation ausschließlich von den (wenigen) Umfragen, die Republikaner-Kandidat Mitt Romney vor Obama sahen. Und schon nachdem Obama seine Geburtsurkunde online gestellt hatte, ließ Fox Nation das Thema nicht los.

„America’s Talking. All Opinions Welcome“ funktioniert, wie auch das Sendermotto „Fair and Balanced“ nur unter einer Voraussetzung: Der Idee, dass liberale und linke Medien den Mainstream beherrschen, und eine offen konservative Haltung nur ein Gleichgewicht herstellt. Binnen-Fairness findet bei Fox News aber nicht statt.

Mit angsteinflößenden, provokanten Überschriften und Nachrichtenhäppchen können es Medien sicherlich schaffen, ein Publikum zu bedienen, zu unterhalten und zu involvieren. Allein mit Journalismus hat das nicht mehr viel zu tun, vor allem, wenn der politische Einschlag derart deutlich wird und für einen neutralen Beobachter komplett mit dem Anspruch kollidiert. Ein Vorbild für deutsche Medien wird Fox Nation aber wahrscheinlich nicht werden – zu gemäßigt sind Zeitungen und vor allem Sender in ihren politischen Neigungen, erst recht im Vergleich zum emotional aufgeladenen US-amerikanischen Pundit Journalism.

Unter den Artikeln von Fox Nation haben sich aber wohl auch Trotz-Kommentatoren zusammengefunden: Zum Artikel „Dr Carson Explains Why ObamaCare is ‚Worst Thing Since Slavery‘“ kommentiert Nutzer xYodax:

this headline should read

 „token black conservative plays race card to a disgusting level, surpasses liberals“

Auch mit der unterbewussten Aufforderung zur Konfrontation kann eine Website wohl Klickzahlen zusammenklauben.

Die Polizei hat den zweiten Verdächtigen für die Bombenexplosionen von Boston lebend gefasst, nachdem der erste Verdächtige auf der Flucht gestorben war. Die mutmaßlichen Attentäter hatten massiv auf die Wirkung der Bilder gesetzt: Nirgendwo laufen so viele Videos, machen Zuschauer so viele Bilder wie beim Zieleinlauf eines großen Marathons. Die Täter setzten darauf, dass sich ihr Terror rasant verbreiten würde – über das Internet. Tatsächlich überschwemmten teils drastische Bilder die sozialen Netzwerke und andere Foren.

Aber nicht nur Bilder und Videos kursierten nach dem Anschlag, auch herzzereißende Geschichten und krude Verschwörungstheorien verbreiteten sich rasch. So hieß es etwa, ein junger Mann hätte geplant, seiner Freundin bei ihrem Zieleinlauf einen Heiratseintrag zu machen – die Explosionen hätten sie getötet. Viele Blogs behaupteten, der Anschlag sei eine False-Flag Operation, eine inszenierte Aktion der Regierung, die sie politisch nutzen könnte.

Im Chaos der Ermittlungen ist es logisch, dass Menschen spekulieren. Im Zeitalter des Internets können sie das aber öffentlich tun – und andere können ihre Spekulationen aufgreifen und weiterverbreiten. Das mag je nach Einstellung naiv, taktlos oder unverantwortlich sein, lässt sich aber nicht verhindern. Wer allerdings die Ruhe hätte bewahren müssen, waren die Nachrichtenmedien. Die Berichterstattung war aber alles andere als ruhig und gefasst. So berichtete CNN am Mittwoch von einer angeblichen Festnahme, die nie passiert war. Im Live-Fernsehen und auf Twitter verbreitete der Sender die Falschmeldung, die andere Medien wie Fox News und die Associated Press schnell aufgriffen, bis alle zurückrudern mussten. Das FBI kritisierte die Medien für ihre hektische und falsche Berichterstattung, weil sie unvorhersehbare Folgen für die Ermittlung haben könnte.

„Get it first, but first get it right“ – der Slogan von Randolph Hearsts International News Service definiert verantwortungsvollen, guten Journalismus. Redakteure müssen Zeitdruck und Sorgfalt gegeneinander aufwiegen. Das war sicherlich einfacher vor der Verbreitung des Telegrafen, dann des Radios und dann des Fernsehens. Das Internet aber hat die Verbreitung von Nachrichten nochmal massiv beschleunigt und das Publikum vergrößert. In der idealen Welt wiegt die Verantwortung gegenüber dem Leser oder dem Zuschauer im Zweifelsfall mehr als die Genugtuung, eine Meldung als erster gehabt zu haben.Die Realität zeigt aber die Hektik der Medien, die oft in journalistischen Desastern enden. Schon im vergangenen Jahr hatten CNN und Fox falsch über eine Entscheidung des Supreme Court berichtet, weil sie schon während der Verlesung des Urteils Meldungen geschrieben hatten.

Gerade in „developing stories“ ist die Informationslage unübersichtlich, die Ungeduld der Medien groß. Fehlerhafte Meldungen oder Spekulationen, um die Sendezeit zu füllen, bringen aber niemandem etwas. Wenn sich diese mangelhaften Informationen dann noch in der Nachrichtenflut des Internets verbreiten, wird ein Leser entweder nie die korrigierte Version bekommen – oder Vertrauen in die Nachrichtenmedien verlieren, wenn sie falsche Berichterstattung zugeben müssen.