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Fernsehen in den Vereinigen Staaten war immer kommerziell – und wird es wohl auch bleiben. Die einzigen Ausnahmen: die wenigen und im Vergleich schlecht finanzierten öffentlichen Rundfunksender, sagt Thomas Hrach, Professor am Department of Journalism der University of Memphis, Tennessee. „Profitorientierte Sender dominieren die Wellen, und das war schon immer so“. Im Kolloquium des Oberkurses am Journalistischen Seminar Mainz sprach Hrach über das Verhältnis von privaten und öffentlichen Sendern im Vergleich zum deutschen dualen System.

Seit Beginn der Radio-Ära sorgte die amerikanische Aufsichtsbehörde, die spätere Federal Communications Commission (FCC), vor allem für eins: Dass jeder Sender sein Programm ausstrahlen kann, ohne dabei behindert zu werden. Schon in den 1930er-Jahren dominierten die kommerziellen Interessen. Die Radios waren billig, denn das Geld steckte in der Werbung. Das war erst recht der Fall, als nach dem Zweiten Weltkrieg praktisch jeder Haushalt einen Fernseher besaß. Die drei großen Sender NBC, ABC und CBS machten Programm als Plattform für die Werbung – und waren damit höchst erfolgreich. „Wer eine Sendelizenz hatte, hatte fast schon die Erlaubnis, Geld zu drucken“, sagt Hrach. Die Sender zeigten, was die Zuschauer wollten: Leichte Unterhaltung, Western, Sport. Zu dieser Zeit lag privater Rundfunk in Deutschland noch 25 Jahre in der Zukunft.

Der Ruf nach einem besseren Fernsehen wurde aber bald laut. Eine „leere Ödnis“ nannte 1961 Newton Minow, Vorsitzender der FCC, das Fernsehprogramm. Der hochgeschätzte TV-Journalist Edward R. Murrow bemängelte dazu die Oberflächlichkeit und das verschwendete Potenzial seines Mediums. Die Lösung: Die Corporation for Public Broadcasting (CPB), die mit Geldern aus dem US-Haushalt seit 1967 öffentliche Sender unterstützen soll. Diese Sender sollen auf hohem Niveau bilden und informieren, ohne auf Werbung angewiesen zu sein. 2012 hatte sie dazu rund 326 Millionen Euro zur Verfügung – im Vergleich zu den rund neun Milliarden Euro, mit denen die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland ausgestattet sind. Damit trägt die CPB zur Finanzierung von 365 TV- und über 1000 Radiosendern bei. Allerdings reicht das nicht. Spenden von Zuschauern, Unternehmen und Non-Profits machen den Rest aus. Auch wenn Werbung verboten ist, sei es „normalerweise ziemlich klar ersichtlich, von wem Spenden kommen“, sagt Hrach.

Die einzelnen Sender übernehmen einen Großteil ihres Programms aus den von ihnen gegründeten Dachorganisationen: Der Public Broadcasting Service (PBS) für TV und National Public Radio (PBS) für den Hörfunk. Diese Namen stünden für gutes, informatives und vertrauenswürdiges Programm mit öffentlichem Auftrag, erklärt Hrach. Auch in Deutschland bekannt ist etwa die PBS-Sendung „Sesamstraße“, ein Bildungsprogramm für Kinder. „Big Bird ist das Mainzelmännchen in den Vereinigten Staaten“, sagt Hrach. Angesichts der oft politisch eingefärbten Nachrichten der großen kommerziellen Sender zeige sich vor allem der Journalismus der öffentlichen neutral und von hoher Qualität.

Trotzdem ist deren Finanzierung umstritten. Im Wahlkampf fällt der Name PBS häufig, wenn es um Haushaltseinsparungen geht. Mitt Romney etwa, der republikanische Kandidat zur Präsidentschaftswahl 2012, sagte zwar, dass er Big Bird zwar liebe, aber dennoch sei der Sender eine finanzielle Belastung.

Doch bei der teils mangelhaften Berichterstattung der kommerziellen Sender, gerade was internationale Geschehnisse angeht, stößt das unter Journalisten auf wenig Gegenliebe, sagt Hrach. „Amerika hat keine zentrale Stimme, um der Welt über sich selbst zu berichten und seinen unterschiedlichen Bürgern über die Welt”, sagte etwa Emily Bell von der Columbia School of Journalism 2011. Lee Bolinger, der Präsident der Universität, schlägt dafür sogar einen zentralen Sender ähnlich der Deutschen Welle vor. Die große amerikanische Abneigung gegen Regierungseinfluss mache so etwas aber sehr unwahrscheinlich, sagt Hrach. So bleibe der öffentliche Rundfunk beliebt, aber nicht erfolgreich.

 

 

Seit es die ersten Zeitungen gab, lagen Journalismus und Politik in einem Spannungsfeld. Lange war die Machtverteilung klar: Was der Politik, also dem König, dem Fürsten, dem Bischof, nicht gefiel, wurde verboten. Das hat sich geändert: Heute wird der Presse eine tragende Rolle im demokratischen Prozess zugeschrieben. Dafür gibt es eine Reihe von Privilegien, die das ermöglichen sollen – etwa eine verminderte Mehrwertsteuer, ein Zeugnisverweigerungsrecht vor Gericht oder erschwerte Fusionen von Medienkonzernen, um ein Meinungsmonopol zu verhindern. Das alles basiert auf dem Artikel 5 des Grundgesetzes, der die Meinungs- und Pressefreiheit bestimmt.

Das ist die Theorie. Es gibt aber in Deutschland nicht nur einen Machtkampf zwischen Medien und Politik, sondern auch eine Schnittmenge. Die findet sich so deutlich wie sonst kaum in den öffentlich-rechtlichen Runfunkanstalten. Deren Rundfunkräte (beim ZDF: Fernsehrat) haben unter anderem folgende Aufgaben (hier am Beispiel des SWR):

„Der Rundfunkrat vertritt die Interessen der Allgemeinheit auf dem Gebiet des Rundfunks; dabei trägt er der Vielfalt der Meinungen in der Bevölkerung Rechnung. Er wacht darüber, dass der SWR seine Aufgaben nach diesem Staatsvertrag erfüllt […] und übt die ihm hierzu eingeräumten Kontrollrechte aus“

– §15.1 des Staatsvertrages über den Südwestrundfunk

In diesem Staatsvertrag findet sich auch eine lange Liste von Institutionen, die Mitglieder in den Rat entsenden dürfen. Darunter mit den meisten Vertretern: Die Regierungen und Landtage. Das heißt, dass einzelne Politiker nicht nur über Gesetze die Presse beeinflussen können, sondern ganz konkret als Mitglieder eines Rundfunk- oder Fernsehrates eine Kontrollfunktion innehaben.

Das scheint nicht zu reichen.

Hans Michael Strepp ist als Pressesprecher der CSU zurückgetreten, nachdem bekannt geworden war, dass er die Berichterstattung des ZDF über den bayrischen SPD-Parteitag verhindern wollte. Eine Weigerung des ZDF, so soll er gesagt haben, werde „Diskussionen“ mit sich führen. Der ehemalige Chefredakteur des ZDF erklärt das so:

„Wenn jemand beim ZDF mit Diskussionen droht, dann meint er damit die Behandlung des Falls im Programmausschuss Chefredaktion.“

Nikolaus Brender zu zeit.de

Das bedeutet: Der Sprecher einer Partei droht mit personellen Konsequenzen, um freie Berichterstattung zu verhindern – weil er sich der Machtposition seiner Partei bewusst ist. So sitzt etwa Alexander Dobrindt, CSU-Generalsekretär, im ZDF-Fernsehrat und dem Programmausschuss Chefredaktion. Das alles ist außerdem kein Novum.

Ist es nun ein „Interesse der Allgemeinheit“, dass Europas größte Sendeanstalt nicht über die größte Oppositionspartei in einem der größten Bundesländer berichtet? Außer Dobrindt sitzen seine Parteifreunde Angelika Niebler und Heinrich Traublinger im Rat, allerdings als Vertreter anderer Organisationen. Insgesamt sind es eben nicht nur die Vertreter von Bund, Ländern und Regierungen, die ein Parteibuch haben; viele Vertreter anderer Organisationen sind gleichzeitig Mitglied einer Partei.

Die Affäre um Hans Michael Strepp verdeutlicht nur noch einmal einen alten Kritikpunkt am öffentlich-rechtlichen Fernsehen: Wie sollen die Anstalten journalistisch integer und möglichst objektiv berichten, und das auch gerade über die Politik, wenn Teile ebenjener Politik in den Gremien sitzen, die ihre Tätigkeit überwachen?

Die privaten Runkfunkanstalten können diese Aufgabe nicht übernehmen, wenn sie sich mit dem Einhalten der Mindestanforderungen zufriedengeben (und außerdem bestehen die Landesmedienanstalten, die sie kontrollieren, auch zum Teil aus Politikern). Wie man es auch drehen oder wenden mag: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wurde absichtlich von der Bundesregierung abgekoppelt, um schwieriger beeinflussbar zu sein. Wenn er im Interesse der Allgemeinheit arbeiten soll, dürfen die Parteimitglieder in den Räten nur genau das tun, was ihre Position vorsieht – ihre Partikularinteressen korrumpieren den Journalismus.