Die Gefahr von Autorenzeilen
Journalisten haben es nicht immer einfach. Besonders nicht, wenn sie über rachsüchtige Musiker schreiben.
1991 veröffentlichten Guns N‘ Roses ihre zwei Doppelalben Use Your Illusion 1 und 2. Auf Nummer zwei findet sich der Track „Get In The Ring“, der zunächst wie die typische G N‘ R-Nummer wirkt: harter, schneller Blues mit Axl Rose‘ krächzendem Gesang über alles, was ihn so anpisst. Der Unterschied zu sonst: Rose nennt Namen. In dem Song beleidigt er namentlich mehrere Musikjournalisten, die ihm wohl irgendetwas angetan haben mussten – und das auf einem Album, das die Recording Industry Association of America siebenfach mit Platin ausgezeichnet hat. Das bedeutet mehr als 14 Millionen verkaufte Scheiben. Die Kritik fiel nicht sehr konstruktiv aus:
And that goes for all you punks in the press
That want to start shit by printin‘ lies instead of the things we said
That means you
Andy Secher at „Hit Parader“
„Circus Magazine“
Mick Wall at „Kerrang“
Bob Guccione, Jr., at „Spin“
What, you pissed off ‚cause your dad gets more pussy than you?
Fuck you
Suck my fuckin‘ dickYou be rippin‘ off the fuckin‘ kids
While they be payin‘ their hard-earned money to read about the bands
They want to know about
Printin‘ lies, startin‘ controversy
You wanna antagonize me?
Antagonize me, motherfucker
Get in the ring, motherfucker
And I’ll kick your bitchy little assPunk
Guns N‘ Roses waren innerhalb weniger Jahre seit der Veröffentlichung ihres Debütalbums Appetite For Destruction 1987 zur wohl größten Rockband des Planetens aufgestiegen. Aber Frontmann Axl Rose war bekannt für seine unzuverlässige, cholerische Art – gerade auch gegenüber Medien. „If there was a bad review, [manager] Doug Goldstein and I would be in the hotel stealing all the newspapers, because if Axl read it, who knows if he would get on the plane to the next city“, sagte Josh Richmann, ein Freund von Rose.
Was also haben die Journalisten im Text von „Get In The Ring“ besonders abscheuliches verbrochen, dass Axl Rose sie derart öffentlich anfeindet?
Andy Secher schrieb 2005 in „Hit Parader“: „He’s ’serenaded‘ us in song on Get Into The Ring (sic!), and taken his share of potshots (fairly or unfairly) at us – and we’ve returned the fire in kind!“ 1992 schien sich Rose aber immerhin so weit beruhigt zu haben, dass er dem „Hit Parader“ noch ein Interview gab.
Mick Wall scheint das Thema zu nerven – auch 20 Jahre nach der Veröffentlichung von Use Your Illusion. „I get emails from people who weren’t even born when the song was recorded, who say that they want to beat me up. I knew immediately that I would spend the rest of my life talking about that song“, sagte er im Interview mit dem schwedischen Aftonbladet (hier in der englischen Übersetzung, auf die ich mich verlassen habe). Doch der Angriff auf Platte hatte Wall verletzt. Die Beziehung zur Band sei zwischen 1987 und 1990 nicht nur professionell, sondern auch freundschaftlich gewesen. „I was the first person outside America to write consistently and seriously about them“, sagte er Wired. Der Grund für die Beleidigungen: Rose warf ihm vor, ein Interview mit ihm teils erfunden, teils falsch zitiert zu haben – ein Interview, das Wall aufgenommen hatte, wie er sagt.
Bob Guccione, Jr., war der Gründer des Musikmagazins „Spin“, das noch 2011 eine Auflage von fast einer halben Million hatte, bevor es 2012 eingestellt wurde. Rose verweist im Text auf dessen Vater, weil Bob Guccione, Sr., das Erotikheft „Penthouse“ gegründet hatte. Junior antwortete sogar auf den Angriff und bat Rose einen Kampf an – worauf Rose wiederum zurückgezogen hätte. „He’s a pathetic person“, sagte Guccione. Sein Magazin „Spin“ hatte 1991 zum Beispiel das über die Band zu sagen: „This band has sucked shit more often than not since it curtailed live appearances after the fiasco at the October 1989 Rolling Stones shows at the LA Memorial Coliseum“, wo Rose mit rassistischen und homophobischen Beleidigungen um sich geschleudert haben soll.
Mick Wall jedenfalls glaubt, dass keiner seiner Kollegen nachtragend ist. „When the song came out I told his people that I would show up at any time if he wanted to talk. The others named in the song have done similar things.“