Offshore-Leaks: Keine Vierte Gewalt

In monatelanger Recherche haben Journalisten des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) einen riesigen Datensatz ausgewertet, der die legalen, halblegalen und illegalen Finanzströme aus der ganzen Welt hin zu Steuerparadiesen zeigt. Die Liste an Prominenten und Politikern, die ihr Geld über Mittelmänner und mithilfe von großen Banken am Fiskus vorbeischmuggeln, ist lang. Diese Liste beinhaltet allerdings nur die „Highlights“, die das ICIJ selbst ausgewählt und veröffentlicht hat. Unbekannte Whistleblower hatten ihm die 2,5 Millionen Datensätze, über 260 Gigabyte, zukommen lassen.

Die Reaktion: Die Regierungen von Deutschland, Südkorea, Griechenland, Kanada und den USA appellieren an die Journalisten, ihnen die Daten zu geben. Das wollen aber weder das ICIJ noch seine internationalen Partner wie die Süddeutsche Zeitung und der NDR tun.

Das ICIJ begründet das mit der strikten Unabhängigkeit von der Politik. Das Netzwerk weigert sich, „verlängert Arm“ der Justizbehörden zu sein – abgesehen von technischen, rechtlichen und journalistischen Problemen, die bei einer Veröffentlichung entstehen könnten. Heribert Prantl argumentiert ähnlich für die Süddeutsche: Die Basis der Pressefreiheit sei immer schon das Zeugnisverweigerungsrecht und der Informantenschutz gewesen. Die Journalisten gefährdeten ihre Informanten und ihre eigene Unabhängigkeit in der Berichterstattung, wenn sie der Politik die Daten übergeben würden. „Würden staatliche Ermittlungen auf noch nicht veröffentlichtem, aber weitergegebenem Material beruhen, das Journalisten den Behörden offeriert haben – dann könnte darüber nicht mehr unbefangen berichtet und kommentiert werden“, schreibt Prantl.

Das stößt in den Leserkommentaren auf Unverständnis. Die SZ enthalte dem Staat und den Staaten die Möglichkeit vor, die Daten selbst auszuwerten – und Verbrechen zu bestrafen. Tatsächlich erscheint das logisch: Wenn sich der Journalismus als Vertreter und Fürsprecher des Volkes sieht, warum dann nicht erst über die Missstände berichten und anschließend aktiv helfen, sie zu beseitigen? Aber abgesehen davon, dass das ICIJ monatelang gearbeitet hat, um die Daten auszuwerten und verständlich zu machen, haben die Medien keinerlei Verpflichtung dem Staat gegenüber.

Die Ressourcen der internationalen Staatengemeinschaft, gegen Steuerbetrug zu ermitteln, sind ungleich höher als die einer Journalistenvereinigung. Die Staaten müssen, individuell und in Zusammenarbeit, daran arbeiten, Steuerschlupflöcher zu schließen. Das sind sie auch ihren Bürgern schuldig, die unter den Mindereinnahmen des Staates leiden. Aufgabe des Journalismus ist es, darüber zu berichten und ein öffentliches Forum zu schaffen, um das Problem zu beleuchten. Darüber hinaus gibt es noch ein Problem: Wie Peter Hornung für den NDR schreibt, sind viele der Vorgänge nicht einmal illegal. Die Lösung ist also kein Vorgehen gegen Einzelpersonen, sondern gegen die Vorschriften, die den Steuerbetrug ermöglichen. Das ist nicht Aufgabe des Journalismus.

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