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Journalismus

Oft sind die Vereine das Herz eines Orts. Wie also soll Integration ohne sie funktionieren? Ein Fußballverein in Nürtingen rekrutiert neue Spieler aus der Flüchtlingsunterkunft – und gibt ihnen so einen Platz in der Gemeinschaft.

Anerkennendes Raunen, Händeklatschen, Schläge auf die Schulter: Mohamad Saleh hat mit einem wunderbaren Seitfallzieher das Tor getroffen. „Sehr nett, alle Leute sind sehr nett“, sagt der 28-Jährige. Das Trainingsspiel im grellen Schein des Flutlichts geht weiter. Vor einem Jahr war Saleh aus Syrien nach Deutschland geflohen. Seitdem spielt er beim TB Neckarhausen Fußball, zusammen mit vielen anderen Flüchtlingen aus dem Ort. Das schafft die Neuankömmlinge aus der Isolation heraus – und gibt ihnen ein Gesicht im Ort.

Der ganze Artikel bei der Südwest Presse…

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Der Syrer Khaled Shamsi ist Chirurg und Flüchtling – in der damaligen Notunterkunft der Stuttgarter Messe behandelte er andere Flüchtlinge. Sein Vorteil: Ein halbes Dutzend Sprachen, mit denen er zurechtkommt. Im Herbst hatte ich ihn bei der Arbeit begleitet.

Scheu schaut der kleine kranke Junge aus den Armen seines Vaters hervor. In der Nacht und am Morgen sei seine Stirn heiß gewesen, berichtet der Syrer. Der Arzt hört mit ernster Miene zu und nickt. Sie stehen in einem hohen, weißen Zelt. Plastikplanen hängen von der Decke und trennen drei Behandlungsliegen voneinander ab. Die Männer unterhalten sich auf Arabisch. Doch das Zelt steht in Deutschland – in der Halle 9 der Stuttgarter Messe, einer Notunterkunft für rund 1000 Flüchtlinge. Khaled Shamsi ist Arzt, der selbst vor der Gewalt nach Deutschland geflohen war. Vor zwei Jahren kam der syrische Kurde. Jetzt behandelt er ehrenamtlich andere Flüchtlinge.

Der ganze Artikel bei der Südwest Presse… 

Während meiner Vertretung im Ulmer Büro habe ich eine Familie in Biberach besucht, die einen jungen Flüchtling aus Afghanistan bei sich aufgenommen hat. Das soll die überforderten Kommunen entlasten, doch eine Patentlösung ist es nicht.

„Lernen, lernen, lernen“, will Farschid in Deutschland. Er ist einer von inzwischen gut 60.000 unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlingen in der Bundesrepublik. Eine Schule hatte er kaum besucht, seine Eltern sind nach seinen Angaben tot. Doch nun geht er zum Unterricht – und auch eine neue Familie hat er gefunden. Mit der steigenden Zahl der Flüchtlinge bemühen sich die Kommunen verstärkt um Pflegefamilien für die Minderjährigen. Das kann Halt geben, fordert aber alle Seiten.

Der ganze Artikel bei t-online.de… 

Es steht schlimm um die freie Presse, wenn ein Reporter der Washington Post so etwas schreibt:

Wesley Lowery und Ryan J. Reilly von der Huffington Post wurden vergangene Woche in Ferguson, Missouri, in einem McDonald’s-Restaurant verhaftet und kurz darauf wieder freigelassen, sagen sie. Die schwerbewaffneten Polizisten hätten das Restaurant geräumt, Lowery habe sie dabei fotografiert. Daraufhin hätten sie verlangt, seinen Ausweis zu sehen, was er (legalerweise) verweigert habe. Als er den Inhalt seiner heruntergefallenen Tasche zusammenräumen wollte, hätten die Polizisten ihn gegen eine Getränkemaschine gerammt.

“My hands are behind my back,” I said. “I’m not resisting. I’m not resisting.” At which point one officer said: “You’re resisting. Stop resisting.”

That was when I was most afraid — more afraid than of the tear gas and rubber bullets.

Viele weitere Journalisten wurden in der vergangenen Woche im amerikanischen Heartland festgenommen, darunter auch deutsche. Einige wurden mit nicht-tödlicher Munition beschossen („Bean-Bag Rounds„), andere gerieten ins Tränengas der Polizei. In diesem Video sieht man, wie eine Kamera-Crew von Al Jazeera vor einer solchen Attacke flieht. Nach Aussage des Reporters wusste die Polizei auch, dass es sich um Journalisten handelte.

Nachdem Polizisten am 9. August einen Jugendlichen in Ferguson, einem Vorort von St. Louis, erschossen hatten, waren Unruhen ausgebrochen, für deren Vehemenz auch die Polizei beschuldigt wird. In panzerähnlichen Fahrzeugen, in Gasmasken und mit beängstigenden Waffen hatte sie versucht, die Proteste zu unterdrücken. Nach einigen Tagen hatte eine Landesbehörde ihre Kompetenzen übernommen; mittlerweile ist auch die National Guard im Einsatz – erfolglos.

Was bedeutet das für die Pressefreiheit in dem Land, das sich seiner unbedingten Verehrung für das First Amendment rühmt?

AP Photo/Jeff Roberson, via businessinsider.com

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bei Protesten, die in Gewalt ausarten, muss auch die Polizei die Unversehrtheit der Anwesenden mit den Rechten der Journalisten abwägen. Sie darf keine einzelnen Journalisten eines Ortes verweisen, sie darf aber alle Menschen eines Ortes verweisen, wenn das der Sicherheit dient. Im Falle von Wesley Lowery spielte sich die Szene dazu auf privatem Grund ab; der Besitzer oder Geschäftsführer eines Restaurants kann verlangen, dass jemand geht. Wäre dann aber die Härte des Einsatzes gerechtfertigt? Ob die temporären Festnahmen in diesem Fall rechtens waren, ist schwer festzustellen. Die Polizei darf aber keine Journalisten an ihrer Arbeit hindern, weil sie Journalisten sind. Wenn eine Tränengasgranate direkt beim Kameramann eines Filmteams landet, kann man an ein Versehen glauben oder Absicht unterstellen – vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass die Polizei, wie im Video zu sehen, die Kamera auf den Boden richtet, nachdem die Crew weggerannt war.

Was auch immer herauskommt, wenn man die vergangene Woche in Ferguson juristisch betrachtet: Die Arbeit der Polizei hinterlässt einen fahlen Geschmack im Mund. Schon aus Eigeninteresse sollte sie es tunlichst vermeiden, für weitere Skandale zu sorgen, die – so ja das Wesen der Medien – überall bekannt werden. Die Behörden scheinen mit der Situation überfordert. Aus ihrer Sicht nerven Journalisten wahrscheinlich; stellen Fragen, stehen im Weg herum. Das müssen sie aber tun, denn die Unruhen in Ferguson stehen für vieles, das in den Vereinigten Staaten falsch läuft. Vielleicht braucht es ein extremes Beispiel, das zum Handeln aufruft. Dieses Beispiel kann aber nur öffentlich werden, wenn Journalisten nervige Fragen stellen.

Dabei machen sie auch einen guten Job, meint Richard H. Weiss, früher Redakteur beim St. Louis Post-Dispatch. Aber genau das sei eben ihr Job, und sie sollten dabei auch bescheiden bleiben: Die Anerkennung kommt mit den guten Storys, nicht mit Auftritten auf CNN, sagt Weiss.

„Eine Unverschämtheit, das ist Freiheitsberaubung!“ Ein älterer Herr starrt mit weit aufgerissenen Augen durch die Fenster seines Autos. Seine Ampel zeigt Grün, doch er kann nicht fahren. Zwei Fahrradfahrer versperren ihm die Durchfahrt an der Kreuzung, während 250 andere Räder passieren. Mehrere Minuten dauert es, bis sie alle vorbei sind. Fröhlich winken viele den blockierten Autofahrern und verdutzten Passanten zu.

Es ist ein Freitag um 18.00 Uhr in der Kölner Innenstadt – und die monatliche „Critical Mass“ schiebt sich durch den Feierabendverkehr. Die Fahrradfahrer wollen sich ein Stück Stadt zurückholen, sagen sie. Dafür nutzen sie einen Passus der Straßenverkehrsordnung. Der besagt, dass mindestens 16 Radfahrer einen geschlossenen Verband bilden können, der zusammenhängend fahren darf. Das bedeutet: Eine rote Ampel kann ihn nicht zerteilen.

Weiter mit meinem dpa-Artikel bei welt.de…

Fernsehen in den Vereinigen Staaten war immer kommerziell – und wird es wohl auch bleiben. Die einzigen Ausnahmen: die wenigen und im Vergleich schlecht finanzierten öffentlichen Rundfunksender, sagt Thomas Hrach, Professor am Department of Journalism der University of Memphis, Tennessee. „Profitorientierte Sender dominieren die Wellen, und das war schon immer so“. Im Kolloquium des Oberkurses am Journalistischen Seminar Mainz sprach Hrach über das Verhältnis von privaten und öffentlichen Sendern im Vergleich zum deutschen dualen System.

Seit Beginn der Radio-Ära sorgte die amerikanische Aufsichtsbehörde, die spätere Federal Communications Commission (FCC), vor allem für eins: Dass jeder Sender sein Programm ausstrahlen kann, ohne dabei behindert zu werden. Schon in den 1930er-Jahren dominierten die kommerziellen Interessen. Die Radios waren billig, denn das Geld steckte in der Werbung. Das war erst recht der Fall, als nach dem Zweiten Weltkrieg praktisch jeder Haushalt einen Fernseher besaß. Die drei großen Sender NBC, ABC und CBS machten Programm als Plattform für die Werbung – und waren damit höchst erfolgreich. „Wer eine Sendelizenz hatte, hatte fast schon die Erlaubnis, Geld zu drucken“, sagt Hrach. Die Sender zeigten, was die Zuschauer wollten: Leichte Unterhaltung, Western, Sport. Zu dieser Zeit lag privater Rundfunk in Deutschland noch 25 Jahre in der Zukunft.

Der Ruf nach einem besseren Fernsehen wurde aber bald laut. Eine „leere Ödnis“ nannte 1961 Newton Minow, Vorsitzender der FCC, das Fernsehprogramm. Der hochgeschätzte TV-Journalist Edward R. Murrow bemängelte dazu die Oberflächlichkeit und das verschwendete Potenzial seines Mediums. Die Lösung: Die Corporation for Public Broadcasting (CPB), die mit Geldern aus dem US-Haushalt seit 1967 öffentliche Sender unterstützen soll. Diese Sender sollen auf hohem Niveau bilden und informieren, ohne auf Werbung angewiesen zu sein. 2012 hatte sie dazu rund 326 Millionen Euro zur Verfügung – im Vergleich zu den rund neun Milliarden Euro, mit denen die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland ausgestattet sind. Damit trägt die CPB zur Finanzierung von 365 TV- und über 1000 Radiosendern bei. Allerdings reicht das nicht. Spenden von Zuschauern, Unternehmen und Non-Profits machen den Rest aus. Auch wenn Werbung verboten ist, sei es „normalerweise ziemlich klar ersichtlich, von wem Spenden kommen“, sagt Hrach.

Die einzelnen Sender übernehmen einen Großteil ihres Programms aus den von ihnen gegründeten Dachorganisationen: Der Public Broadcasting Service (PBS) für TV und National Public Radio (PBS) für den Hörfunk. Diese Namen stünden für gutes, informatives und vertrauenswürdiges Programm mit öffentlichem Auftrag, erklärt Hrach. Auch in Deutschland bekannt ist etwa die PBS-Sendung „Sesamstraße“, ein Bildungsprogramm für Kinder. „Big Bird ist das Mainzelmännchen in den Vereinigten Staaten“, sagt Hrach. Angesichts der oft politisch eingefärbten Nachrichten der großen kommerziellen Sender zeige sich vor allem der Journalismus der öffentlichen neutral und von hoher Qualität.

Trotzdem ist deren Finanzierung umstritten. Im Wahlkampf fällt der Name PBS häufig, wenn es um Haushaltseinsparungen geht. Mitt Romney etwa, der republikanische Kandidat zur Präsidentschaftswahl 2012, sagte zwar, dass er Big Bird zwar liebe, aber dennoch sei der Sender eine finanzielle Belastung.

Doch bei der teils mangelhaften Berichterstattung der kommerziellen Sender, gerade was internationale Geschehnisse angeht, stößt das unter Journalisten auf wenig Gegenliebe, sagt Hrach. „Amerika hat keine zentrale Stimme, um der Welt über sich selbst zu berichten und seinen unterschiedlichen Bürgern über die Welt”, sagte etwa Emily Bell von der Columbia School of Journalism 2011. Lee Bolinger, der Präsident der Universität, schlägt dafür sogar einen zentralen Sender ähnlich der Deutschen Welle vor. Die große amerikanische Abneigung gegen Regierungseinfluss mache so etwas aber sehr unwahrscheinlich, sagt Hrach. So bleibe der öffentliche Rundfunk beliebt, aber nicht erfolgreich.

 

 

Wenn Reddit eine Seite „umarmt“, ist das vielleicht liebevoll gemeint, überfordert aber meistens deren Server.

Ein populärer Post auf dem Linkaggregator kann ungewohnt viel Traffic auf eine Seite bringen, wie etwa ABC (die australische Version) beschreibt:

When a link to an ABC News story becomes popular on Reddit – as it also did with this story about Bill Gates‘ quest to reinvent the toilet (view on Reddit) – this can have a big influence on our own most popular lists.

Even if the story is old news.

Ein Servercrash ist zwar im Prinzip unangenehm, aber gerade Medien werden sich über einen rapiden Anstieg an Klickzahlen freuen, bedeuten sie doch bares Geld. Und das ist nicht die einzige Art, wie Reddit Journalisten helfen kann.

Reddit, Platz 24 der beliebtesten Webseiten in den USA, funktioniert demokratisch: Angemeldete User reichen Links oder Text-Posts ein, andere können dem einen Up- oder Downvote verpassen. Die beliebtesten Links stehen am weitesten oben. Unzählige Foren, genannt Subreddits, widmen sich speziellen Themen – und das kann alles sein, von Star Trek über digitale Fotografie zu obskuren Videospielen der 80er-Jahre. Die Startseite stellt die stärksten Links aus einigen großen Subreddits zusammen. Dazu gehören etwa Nachrichten, Wissenschaft, Politik und natürlich Bilder von süßen Katzenbabys.

Was hat das mit Journalismus zu tun?

Traffic von Reddit

Für den Erfolg seiner Inhalte sei Reddit sehr wichtig, sagt etwa Jonathan Hunt, Global Marketing Director bei Vice. Zumindest in den USA scheinen die Verweise für die Online-Auftritte von Nachrichtenmedien immer wichtiger zu werden, schreibt Kelly McBride bei Poynter. Sie hat mit verantwortlichen Online-Redakteuren gesprochen, die von teils deutlichen Anstiegen der Besucherzahlen über Reddit-Links berichten. Es liegt also nahe, wenn auch Journalisten ihre eigenen Geschichten in den passenden Subreddits posten – aber Vorsicht: Dabei gibt es einige Fallstricke.

Jedes Subreddit hat seine eigene Kultur, und wer sich der nicht anpasst, wird ausgeschlossen. Stümperhafte Versuche, mit Links auf eigene Geschichten zu spammen, werden schnell auf Gegenwehr stoßen. Jedes einzelne Forum hat einen oder mehreren Moderatoren mit erweiterten Rechten, die einzelne User ausschließen können – und Links auf bestimmte Seiten verbieten können.

Das mussten auch große Verlagshäuser erfahren. Das News-Subreddit  ist das größte für Nachrichten, mit 2,7 Millionen Abonnenten eines der größten überhaupt und eines der standardmäßig auf der Startseite angezeigten. Kürzlich aber wurden Links auf The Atlantic in dem Forum gesperrt, wohl weil die Artikel nicht zum absoluten Anspruch des Forums auf Hard News passen. Das ist bitter: Schon 2011 schwärmte The Atlantic davon, wie viele Besucher Reddit auf die eigene Seite bringen kann. Weil aber Jared Keller, einer der Social-Media-Redakteure, allzu übereifrig tausende Links zu Artikeln des Verlags gepostet hatte, wurden Links auf diese Domains auch 2012 bereits für eine Zeitlang auf ganz Reddit gesperrt.

Die Regeln sind dabei nicht eindeutig: „It’s not strictly forbidden to submit a link to a site that you own or otherwise benefit from in some way, but you should sort of consider yourself on thin ice“, heißt es in den FAQ. „I tried to adhere to those standards, but as language like ‘thin ice’ suggests, there’s a lot of leeway in how one might interpret them“, sagte Keller dazu.

Die Lehre daraus? Wer von Reddit profitieren will, sollte sich an die Regeln halten. Hinter den positiven und negativen Bewertungen stehen echte Menschen, die sich nicht gerne ausnutzen lassen. Nur wer selbst Teil der Kultur wird, wird Erfolg mit eigenen Links haben. Victoria Taylor, Director of Communications bei Reddit, fasst die Best Practices für Journalisten auf ihrer Seite zusammen: Respektiere Nutzer, wenn du sie kontaktierst; nutze die Foren nicht aus; identifiziere dich als Journalist; informiere dich, bevor du loslegst. Letztlich sind das Regeln, die jeder Journalist auch im Alltagsgeschäft beachten sollte.

Forum für Journalisten

Natürlich hat Reddit auch ein eigenes Forum für Journalisten, die über Fragen oder Probleme ihres Berufs diskutieren können: r/Journalism. Mit nur rund 5300 Abonnenten ist es ein vergleichsweise kleines Forum, das seinen roten Faden noch nicht gefunden hat. Neben Links zu Artikeln über Medien und Journalismus sind es viele Berufseinsteiger und Interessierte, die nach Ratschlägen fragen; seltener diskutieren die Nutzer tatsächliche ethische Fragen im Subreddit selbst. Die beliebtesten Links in der Geschichte des Subreddits sind aber fast ausschließlich Links auf externe Seiten. Mit einer aktiveren Nutzerschaft gibt es aber Potenzial für umfassendere Diskussionen.

Redditors als Journalisten

In der Diskussion um Citizen Journalists, also ehrenamtliche Amateure, sollte Reddit nicht übergangen werden – auch wenn das bekannteste Beispiel für Reddit-Recherchen ein äußerst negatives ist. Nach den Anschlägen auf den Marathon in Bosten letztes Jahr gründete sich ein Subreddit, das bei der Suche nach den Tätern helfen sollte. Das führte dazu, dass einige unschuldige Menschen zu Unrecht verdächtigt wurden. Deren Bilder gelangten auch in klassische Medien.

Die breite Nutzerbasis von Reddit, die oft mit großer Hingabe bestimmte Foren besucht, bietet allerdings ein riesiges Potenzial. Gigaom vergleicht Berichte traditioneller Medien über eine Schießerei in Toronto mit der Zusammenfassung eines Nutzers, der unter anderem auf Tweets von Opfern, Zeugen und Tätern verweist und so eine einfacher verifizierbare, transparente Quellenlage zeigt. Als 2011 die Universität Virginia Tech in Blackburg komplett abgeriegelt wurde, nachdem zwei ein Unbekannter zwei Menschen erschossen hatte, berichtete ein Student auf Reddit live aus einem der Gebäude der Universität. Ebenso postete eine Nutzerin 2012, nachdem sie aus dem Kino in Aurora, Colorado gekommen war, in dem ein Mann zwölf Menschen erschossen hatte.

Das sind keine Beispiele für klassischen Journalismus. Allerdings bemühen sich einige Nutzer auch, Fakten zu checken – so etwa zur letzten amerikanischen Präsidentschaftsdebatte. Die Recherche beschränkt sich zwar auf Online-Quellen, ist aber letztlich eine Standardaufgabe für Journalisten. Im Subreddit r/PoliticalFactchecking posten Nutzer Behauptungen, die andere dann entweder widerlegen oder beweisen sollen.

Reddit-Nutzer versuchen sich aber nicht nur am Verifizieren, sondern auch am Zusammenstellen von Nachrichten. Mit einem neuen Feature etwa will Reddit seine unübersichtliche Benutzeroberfläche verbessern, um Liveblogging zu ermöglichen. Bisher ist das Erstellen solcher Update-Seiten den Administratoren vorbehalten, aber es gibt ein aktuelles Beispiel, das journalistische Qualitäten zeigt: Ein Info-Stream zum Konflikt in der Ukraine. Seit 72 Tagen können ausgewählte Nutzer darin posten: Tweets, Links, Videos. Ein anderes Beispiel ist das Subreddit r/SyrianCivilWar. Das fünfköpfige Moderatorenteam versucht hier, eine möglichst neutrale Faktenlage zum Bürgerkrieg in Syrien zu schaffen. Bilder und Videos vom Konflikt tauchen im Internet ohne Zeitverzögerung auf, anders als Kriegsberichte aus Zeiten vor dem Internet. Die Modderatoren versuchen, darüber einen Überblick zu verschaffen. „This sub hopes to foster an informed and civil discussion of the facts“, heißt es im Forum.
Auch wenn Fehler geschehen könnten, wenn es um Nachrichten und Informationen gehe, glaubt Erik Martin, General Manager von Reddit, dass die positiven Aspekte seiner Seite deutlich überwiegen. Professionelle Journalisten bräuchte es dennoch weiterhin. “But I also believe that having people participating in that news and in sharing information, I just don’t understand how that can be anything but positive.”

Reddit als Quelle

Vor zwei Jahren konnten Reddit-Nutzer etwas tun, das sonst nur höchstrangigen Journalisten vorbehalten war: Sie konnten Barack Obama Fragen stellen. Das Format „Ask Me Anything“ ist einer der Standards der Seite. Mehr oder minder interessante oder prominente Persönlichkeiten stellen sich den Fragen und Kommentaren der Community. Natürlich gelten im Vergleich zum Interview Einschränkungen: Der Interviewte kann sich aussuchen, worauf er antwortet; oft wird er viele Fragen gar nicht zu Gesicht bekommen, denn diejenigen mit den meisten Positivwertungen sind eher sichtbar als andere. Damit unterwirft sich auch das Interview der Reddit-Kultur.

Dennoch ist das ein Beispiel für das Quellenpotenzial auf Reddit, das über die freiwilligen Frage-Antwort-Runden hinausgeht. Denn in den unzähligen Subreddits zu hochspezialisierten Themen lässt sich schnell ein Interviewpartner oder eine Recherchequelle finden, wenn ein Journalist die Möglichkeiten nutzt. Doch dabei wieder wichtig: die Best Practices. Nutzer in Internetforen sind echte Menschen – wer Respekt vermissen lässt, wird keinen Ansprechpartner finden.

Fazit

Reddit hat sich als wichtiges soziales Medium etabliert. Für Journalisten bedeutet das eine Masse an Möglichkeiten, aber der Nutzen ist sicherlich auch Einschränkungen unterworfen.

  • Die offensichtliche: Reddit wird vor allem in den Vereinigten Staaten genutzt. Zwar gibt es auch einige deutsche Subreddits, deren Aktivität hält sich aber in Grenzen.
  • Zum Auffinden von Quellen ist Reddit gut geeignet, aber deren Online-Auftritt kann sich immer noch vom echten Menschen unterscheiden – soll heißen: Bevor man jemanden als Quelle oder als Experten zitiert, sollte man sicherstellen, dass er das auch ist und nicht nur online vorgibt.
  • Die große Macht der Moderatoren in den einzelnen Foren bedeutet, dass man sich deren, teils stark kritisierten, Regeln unterwerfen muss, wenn man Reddit nutzen will.
  • Ebenso kann die Gruppendynamik oder die Kultur eines Forums journalistische Arbeit erschweren.
  • Die eigenen journalistischen Gehversuche von Reddit-Nutzern sind zwar beeindruckend und können neue Wege der Berichterstattung aufweisen, sind aber noch mit vielen Fehlern behaftet – egal ob es um Recherche, Korrektheit oder Zusammenstellung geht.
  • Zur Selbstpromotion ist Reddit kaum geeignet. Den Nutzern stößt es sauer auf, wenn eigennütziger Link-Spam auffällt, und die unterschiedlichen Subreddits gehen unterschiedlich mit Quellen um. Letztlich gilt aber auch hier: Qualität setzt sich durch, und das zur Not auch ohne Hilfe von Reddit.

Das Internet wird nicht mehr lange das demokratischste aller Medien sein.

Zukünftig sollen in den USA  Internetanbieter bestimmte Datenpakete bevorzugt behandeln können, hat die Federal Communications Commission (FCC), zuständig für die Regulierung von Funk, Kabel und Internet, angekündigt. Das heißt in etwa: Google könnte Comcast dafür bezahlen, dass Youtube-Videos künftig schneller geladen werden. Was zunächst nach einem Vorteil für den Nutzer klingt, birgt aber Probleme.

Denn wo gewisse Daten priorisiert werden, werden andere hintenan gestellt. Das widerspricht dem Prinzip des Internets als frei zugängliche, gleichberechtigte Plattform für alle Nutzer. Wer es sich leisten kann, kann den Nutzer so besser erreichen – aber das war auch in den alten Medien so. Theoretisch konnte jeder, der genug Geld hatte, massive Werbekampagnen starten oder vielleicht einfach seine eigene Zeitung gründen. Im Internet soll aber jeder die gleiche Möglichkeit haben, seine Botschaft zu vermitteln und Geschäfte zu machen. Kein kleines Startup, das einen internetbasierten Dienst anbietet, wird sich die Datenbeschleunigung leisten können. Wenn sich Nutzer aber erst an den rasenden Youtube-Ladebalken gewöhnt haben, werden sie mit den schleichenden Datenpaketen die Geduld verlieren.

Im schlimmsten Fall sähe die Werbung für einen DSL-Anschluss dann so aus:

(via Dan Shewan)

Der Streit um die Netzneutralität stammt letztlich aus der Ambiguität des Mediums selbst. Das „Internet“ besteht aus Servern, aus Daten, aus Funknetzen, aus Kabeln, aber auch auf einer abstrakten Ebene auch aus Meinungen, Werken und Dienstleistungen – und bezahlen muss man es immer. Wenn man der Logik der Unabhängigkeit des Internets folgt, dürften also auch diejenigen frei in ihren Entscheidungen sein, die dem Kunden ihren Service liefern, also auch die Internetanbieter. Gerade in den USA aber beherrschen sehr wenige, sehr große Unternehmen, allen voran Comcast, den Markt. Vielerorts stellt sich die Frage nach Auswahl gar nicht, weil es nur einen Anbieter für Internet gibt. In dieser Monopolsituation tritt der vielleicht wichtigste Aspekt des Internets hervor: die Meinungsfreiheit.

Angesichts der zentralen Rolle, die das Internet in unserem Leben mittlerweile spielt, ist das nicht zu vernachlässigen. Statt Briefe zu schreiben oder Anrufe zu tätigen, nutzen wir heute Internetdienste, um zu kommunizieren. Diese gesellschaftliche Realität darf man nicht vernachlässigen, wenn es um die bevorzugte Behandlung von Daten geht. Denn das würde nichts anderes bedeuten, als dass die Kommunikation von einigen Menschen priorisiert wird – etwa die der Google-Eigentümer mit der von Hans Schmidt aus Buxtehude via Youtube-Videos von Hundewelpen. Hier lässt sich auch die Brücke zum Journalismus schlagen. In Zeiten von einbrechenden Gewinnen werden sich nur wenige Verlage die Bevorzugung leisten können. Auch wenn eine Nachrichtenseite deutlich weniger Traffic verbraucht als etwa ein Video, ist der Zugang zu relevanten Informationen doch ein grundlegendes Problem.

Die FCC jedenfalls streitet ab, dass es überhaupt dazu kommen werde. „To be very direct, the proposal would establish that behavior harmful to consumers or competition by limiting the openness of the Internet will not be permitted“, schreibt der Vorsitzende Tom Wheeler angesichts des Protests. Das allerdings kritisiert Josh Levy von Free Press, einer Non-Profit-Organisation, die sich für Pressefreiheit und freien Zugang zu Medien engagiert. Auf Reddit schreibt er schlicht, dass Tom Wheeler unrecht hat. „What’s more ‚commercially reasonable‘ than a business promoting its own products over its competitors?“

 

Bei AFN Wiesbaden auf 98.7 ist es Karaoke Tuesday. „When I find myself in times of trouble“, haucht eine Anruferin mit deutschem Akzent in den Telefonhörer. Zur Belohnung für ihren Mut kann sie sich über den kompletten Beatles-Song im Radio freuen. „Great“, lobt Moderator Matthew Klene mit sonorer Stimme, bevor er die „Weird News“ des Tages verkündet: Immer weniger Amerikaner wollen den Beruf des Clowns ergreifen.

Wer in den Vereinigten Staaten die Soldatenlaufbahn einschlägt und im Ausland stationiert wird, soll auf jeden Fall gut unterhalten werden. Darum kümmert sich das American Forces Network, der Rundfunkverbund der Streitkräfte. Im AFN-Studio in Wiesbaden stehen Matthew Klene, genannt Matt, und Kollegin Jessica Taylor vor ihren Mischpulten und sind auf Sendung. Von der Decke hängen Mikrofone. Die Studiotür ist mit unzähligen Aufklebern von Elvis Presley, Arnold Schwarzenegger, Superman und anderen amerikanischen Helden bepflastert; sie steht offen, obwohl gerade die Morgenshow läuft. „Daran gewöhnt man sich“, sagt Gary Bautell, 71 Jahre alt und Chef des Senders. Er sorgt dafür, dass die amerikanischen Soldaten zwischen Rhein und Main weiterhin ihren eigenen Sender hören können, obwohl das Budget von AFN Wiesbaden bescheiden ist.

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