Leistungs-Schutzrecht: Interessenkonflikt der Presse
Am 1. März hat der Bundestag beschlossen, das Leistungsschutzrecht für Presseverlage einzuführen. Es soll verhindern, dass Dritte auf Content zugreifen, den Verlage online stellen. Abgezielt hat das Gesetz vor allem auf eine Firma: Google. Mit ihrem Service Google News aggregiert die Seite Nachrichtenmeldungen und präsentiert sie zentral auf ihrer Seite. Dazu zeigt Google News Vorschaubilder und Textausschnitte, auch Snippets genannt.
So weit, so bekannt.
Überraschend war die Änderung des Gesetzestextes kurz vor der Abstimmung. Suchmaschinen sollen „einzelne Wörter und kleinste Textausschnitte“ jetzt doch auch ohne Vergütung benutzen dürfen. Für viele Kritiker schien damit das ganze Gesetz hinfällig zu werden. Was schützt das Gesetz dann noch? Allerdings sorgt diese Änderung auch für rechtliche Unsicherheit – was sind „kleinste“ Textausschnitte? Drei Worte, vier Worte, zwei Sätze? So produziert das Leistungsschutzrecht eine weitere rechtliche Grauzone im Internet, das davon wirklich bereits genug hat.
Argumente gegen das Leistungsschutzrecht gibt es viele, und sie sind hinlänglich bekannt. Wenn Verlage nicht wollten, dass ihre Inhalte weiterverwertet werden, sollten sie sie nicht kostenlos ins Internet stellen. Das Leistungsschutzrecht gilt genauso für kurze Meldungen, die alle Online-Ausgaben sowieso von Nachrichtenagenturen beziehen, die aber dann unter ihr Verwertungsrecht fallen. Wenn Google eine Website nicht indizieren soll, können das die Betreiber technisch simpel einrichten. Blogger, die einen Artikel anteasern, um ihn zu kommentieren, könnten jetzt abgestraft werden. Und ökonomisch am wenigsten verständlich: Auch wenn Google mit Anzeigen Geld verdient, könnten die Verlage gar nicht auf die Verlinkungen verzichten – große Anteile des wertvollen Traffics kommen von Suchmaschinen. Drei Jahre alte Zahlen aus Amerika sprechen von bis zu 50 Prozent. Dass sich jemand mit Überschriften oder Halbsätzen begnügt, also auf Google bleibt und nicht den Link klickt, scheint nicht realistisch.
Die Diskussion um ein Leistungsschutzrecht zeigt aber ein anderes Dilemma: Die Zwiespältigkeit der Presse als Demokratieträger und Teil der Privatwirtschaft. Wie kann eine Zeitung neutral bleiben bei einem Thema, das für sie wirtschaftlich bedeutsam sein kann? Google als einfaches Unternehmen darf eine offene Kampagne gegen das Leistungsschutzrecht führen, weil die Firma keine demokratietheoretische Verantwortung der Bevölkerung gegenüber hat. Aber die Zeitungen müssen möglichst ausgewogen und objektiv berichten – was unter Umständen zu eigenen Nachteilen führen könnte. Auch die innere Pressefreiheit als Puffer zwischen Journalismus und Betriebswirtschaft wirkt vielleicht schlechter in Zeiten, in denen Presseunternehmen reihenweise insolvent werden. So könnte beim einzelnen Journalisten auch noch ein privates Interesse dazukommen – die Sorge um seinen Arbeitsplatz.
Das Leistungsschutzrecht wird nicht über Glück und Verderben der deutschen Presse entscheiden, und ein offenes Misstrauen gegenüber Verlagen scheint nicht angebracht. Einen schalen Nachgeschmack hinterlässt die Debatte aber als Beispiel für einen Interessenskonflikt schon. Denn natürlich haben die meisten Zeitungen für das Leistungsschutzrecht argumentiert. Die Lösung wäre eine öffentlich-rechtliche Presse – aber wer würde so etwas vorschlagen?