Bewaffnete in Schulen, Reparatur der kaputten Kategorisierung von Geisteskranken, strafrechtliche Verfolgung von Kriminellen mit Schusswaffen – das ist die Antwort des Vorsitzenden der National Rifle Association auf die Morde von Newtown. Damit weist Wayne LaPierre einen Ruf zurück, der immer lauter wird – dem nach universellen Background-Checks beim Waffenkauf, also der Überprüfung von Krankengeschichte und Führungszeugnis. Bisher ist das System uneinheitlich, beim privaten Verkauf von Waffen ist überhaupt keine Überprüfung vorgeschrieben. LaPierre nennt die Überprüfungen eine Idee, die logisch erscheint, aber nicht funktioniert: Das Problem seien Kriminelle mit Waffen – und die fielen sowieso aus dem System.

Allein: 2007 gab es zwischen 15.000 und 19.000 Unfälle mit Schusswaffen in den USA – 600 Menschen starben, ganz ohne Einwirken von Kriminellen. Die öffentliche Unterstützung für strengere Regulierung von Waffen ist überwältigend. LaPierre selbst nannte 1999 nach dem Schulmassaker in Columbine die Überprüfungen ein gutes Mittel gegen Waffengewalt. Und doch ist es nicht einfach, angesichts von zig Millionen Waffenbesitzern die Gesetze zu ändern – allein schon aus politischer und kommunikativer Sicht. Die Strategie des Weißen Hauses ist nun, sich ganz auf halbautomatische Sturmgewehre, große Munitionsmagazine und die Background-Checks zu konzentrieren. Gegen einfache Handfeuerwaffen oder Sportgewehre kann oder will Barack Obama nichts tun.

Und um sich vom Vorwurf der Voreingenommenheit gegenüber Waffenbesitzern zu befreien, zelebrieren der Präsident und sein Vize jetzt die Waffenkultur. Joe Biden sprach in einem Interview von Schrotflinten als hervorragende Verteidigung für das Haus, Barack Obama sprach von seiner Passion fürs Sportschießen. Diese politischen Schachzüge sollen die Verschärfung von Waffengesetzen legitimieren – und bedienen in gewisser Weise die Argumentation der NRA. Denn anstatt die Notwendigkeit des Waffenbesitzes im Allgemeinen in Frage zu stellen, zielen Obama und Biden auf die altgediente Masche „aufrechter, gesetztestreuer Bürger“ ab. Ein guter Amerikaner wisse mit seiner Waffe umzugehen – und ist der einzige, der einen böswilligen Menschen mit einer Waffe aufhalten kann. Das sagt zumindet der NRA-Vorsitzende und begründet damit seine Forderung nach Bewaffneten an Schulen. Was er nicht erwähnt: Auch an der Columbine Highschool gab es zwei Wachmänner mit Schusswaffen. Trotzdem konnten die zwei Attentäter zwölf Menschen töten.

Die NRA könnte indes den Anschluss an ihre eigenen Mitglieder verloren haben, von denen drei Viertel strengere Regeln für den Waffenkauf befürworten. Eine Minderheit der Waffenbesitzer scheint aber beunruhigt. Das zeigt sich an Aktionen, die für europäische Verhältnisse grotesk wirken: Beim „Gun Owners Support Starbucks Day“ etwa wollen sie mit offener Waffe im Café sitzen – weil Starbucks das Tragen von Waffen nicht prinzipiell verbietet. An den kommenden Gesetzen werden sie so nichts ändern können. Joe Biden sah schon zu Beginn seiner Gespräche mit Interessenvertetern im Januar Offenheit für die Regelungen.

 

Die Vereinigten Staaten werden in absehbarer Zeit keinen Todesstern bauen.

Barack Obama hatte zu Beginn seiner ersten Amtszeit 2009 versprochen, seine Regierung so transparent wie möglich zu machen. Ein Teil davon war die Einrichtung einer Petitionenwebsite, über die Bürger die Bundesregierung der Vereinigten Staaten ansprechen können. Auf petitions.whitehouse.gov muss eine neue Petition in 30 Tagen nach der Einreichung 150 Unterschriften sammeln, um in den Suchergebnissen der Website aufzutauchen. Wenn das erreicht worden ist, muss die Petition in 30 weiteren Tagen 25.000 Unterschriften sammeln, damit die Bundesregierung verpflichtet ist, darauf zu antworten. Auf der Seite verspricht sie eine „zeitnahe“ Antwort – das scheint aber der Definition der Regierung überlassen zu sein.

Die Petition vom 14. November 2012, die die Regierung auffordert, einen Todesstern zu bauen, hat etwa 34.000 Unterschriften erreicht. Die Antwort ist charmant geschrieben und gespickt mit Referenzen zu den Star Wars-Filmen. Das wird die Unterzeichner und die Star Wars-Fans gleichermaßen freuen, zeigt aber auch ein Problem mit der Weise, wie die US-Regierung mit den Petitionen umgeht.

Diese Spaßpetition war eine willkommene Einladung, gute PR zu betreiben. Während die Antwort auf die tatsächlichen Forschungserfolge der NASA hinweist und um Interessierte wirbt, bleiben ernsthafte Petitionen mit wichtigeren Anliegen unbeantwortet. Unter den beliebtesten Petitionen sind viele, die mehr als doppelt so viele Unterschriften haben wie die Todesstern-Anfrage. Viele sprechen von großem Misstrauen der Obama-Regierung gegenüber – so etwa die Petition, die Wahlstimmen der letzten Präsidentschaftswahl neu zu zählen. Sie stammt vom 10. November 2012 und hat fast 70.000 Unterschriften – aber noch keine Antwort. Ebenso haben Bürger aus 30 Staaten als Reaktion auf Obamas erneuten Wahlsieg Petitionen eingereicht, ihre Staaten vom Bund abzutrennen. Obwohl das juristisch Unsinn ist, ist Schweigen keine gute Antwort auf Forderungen, die von Zehntausenden unterschrieben worden sind.

Das „We The People“-Programm könnte so zum schlechten Scherz werden. Natürlich gibt es einige fundierte, konstruktive Vorschläge, wie das Einstufen der ultrakonservativen Westboro Baptist Church als „Hate Group“, das Kennzeichnen von genetisch veränderten Nahrungsmitteln oder das Anerkennen von Gebärdensprache als Unterrichtssprache. Viele nutzen das Petitionensystem aber als Plattform für Partikularinteressen, oft als Reaktion auf kurzlebige Berichterstattung über Reizthemen. So gibt es die Petition zur Einrichtung des von der National Rifle Association geforderten Programms für bewaffnete Wachen an Schulen oder die Petition, den britischen Journalisten Piers Morgan aus den USA auszuweisen, weil er sich gegen Waffenrechte ausgesprochen hat.

Diese Petition, die in drei Wochen mehr als 100.000 Unterschriften gesammelt hat, hat die Regierung aber auch beantwortet. Die Antwort wiegt den Zweiten Zusatzartikel zur Verfassung, der das Tragen von Waffen erlaubt, mit dem Ersten auf, der die Meinungsfreiheit garantiert. Das kann die Regierung aber nur schlecht als sympathische PR-Aktion einsetzen. Der Antrag, die Westboro Baptist Church als Hate Group einzustufen, hat indes mehr als 300.000 Unterschriften – aber noch keine Antwort.

Update, 16.1.:

Ab sofort muss eine Petition 100.000 Unterschriften sammeln, damit die Regierung darauf antworten muss. Dieser Schritt wird mit dem stark erhöhten Nutzeraufkommen begründet.

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold – aber Gold hat der Papst genug. Deswegen redet er auch, selbst wenn er es lassen sollte. Seine Botschaft zum katholischen Weltfriedenstag am 1. Januar tut jedenfalls wenig, um Frieden zu stiften. In ihr warnt er vor Gleichstellung der Homo-Ehe mit der zwischen Mann und Frau – mit der Begründung, das sei eine „Beleidigung der Wahrheit des Menschen, eine schwere Verletzung der Gerechtigkeit und des Friedens“.

Aber wo sieht Ratzinger den Unterschied einer Ehe zwischen einem Mann und einer Frau und der Ehe zwischen einem Mann und einem Mann? Bei sinkenden Geburtsraten kann die Begründung nicht mehr lauten, die Förderung der „traditionellen“ Ehe würde dem Schrumpfen der Bevölkerung entgegenwirken. Nein, diese „radikal anderen Formen der Verbindung“ sei unnatürlich, sagt der Papst. Damit leugnet er gesellschaftliche Realitäten, die nicht in das jahrtausendealte Weltbild der katholischen Kirche passen. Dass es Homosexualität gibt, ist Fakt. Sie ist tatsächlich „eingeschrieben in die menschliche Natur“, anders als die engstirnige Auslegung von Ehe, die der Papst vertritt.

Überhaupt ist das Argument der Widernatürlichkeit nichtig. Bei über 1500 Tierarten haben Forscher homosexuelles Verhalten nachgewiesen. Der Mensch ist nur ein weiteres Wesen, das dieses Verhalten zeigt. Die katholische Kirche versucht hier also nur, mit pseudowissenschaftlichen Argumenten zu überzeugen. Das allein ist schon ein Zugeständnis an eine Gesellschaft, die eine Position der spirituellen Autorität nicht mehr fraglos hinnimmt. Allerdings haben Intellektuelle des 19. Jahrhunderts auch versucht, Rassismus wissenschaftlich zu untermauern – was nach modernen Erkenntnissen unhaltbar ist.

Dass die Ehe in einer Gesellschaft eine zentrale Rolle einnimmt, lässt sich nicht leugnen. Aber auch das ist nicht die Art der Ehe, von der Ratzinger spricht. Denn wo er die Eheschließung vor einem Priester seiner Kirche und die Verbindung zur Glaubensgemeinschaft meint, ist die gesellschaftliche Relevanz eine andere: Sie wird bestimmt vom Staat, der Verheirateten besondere Vorteile und Privilegien garantiert – aber auch nur, wenn der Staat, das heißt ein Standesbeamter, die Ehe schließt. Ein kirchliches Ritual ist dazu nicht nötig, viele Ehepartner sparen es sich. Bei 34 Prozent Konfessionslosen in Deutschland ist das auch nicht verwunderlich. Die Ehe, von der der Papst spricht, ist so oder so ein Auslaufmodell – ob Homosexuelle heiraten können, tangiert sie gar nicht.

Dass der Einsatz der katholischen Kirche gegen die gesellschaftliche Anerkennung von Homosexuellen „überkonfessionell“ sein soll, ist dann nur ein verzweifelter Versuch, die eigenen Vorurteile zu rechtfertigen. Der Papst will hier die bequemen Schuhe des Märtyrertums anziehen: Er behauptet, seine Kirche sei ein einsamer Vorstreiter für menschlichen Frieden, ohne dass das etwas mit den eigenen Überzeugungen zu tun hätte.

Vorbei sind die Zeiten, in denen die Kirche das öffentliche Leben und die Sozialgemeinschaft diktiert hat. Ratzingers Botschaft zum katholischen Weltfriedenstag hat nur oberflächlich etwas mit Frieden zu tun. Allein aus Sicht der Öffentlichkeitsarbeit sind die Aussagen des Papstes aber interessant. Denn heute muss sich die Kirche bemühen, ihre Relevanz zu erhalten. Sie wird es nicht schaffen, indem sie sich gegen die Liberalisierung der Gesellschaft stellt. Nach repräsentativen Umfragen sind vier von fünf Deutschen für die Gleichstellung der Homo-Ehe. Bei 25 Millionen Katholiken in Deutschland muss es dort zwangsweise eine Schnittmenge geben. Wenn also selbst die eigenen Schäfchen widersprechen, ist das das deutlichste Zeichen, dass sich die Kirche ändern muss – oder untergehen wird. Diskriminierung hat der Mann auf dem goldenen Thron wohl nie hinnehmen müssen.

Der Mord an 27 Menschen in Newtown, Connecticut, entzündet in den USA gerade eine Debatte, die es oft gibt, die aber nie lange dauert. Nach jedem ähnlichen Vorfall, sei es in Aurora, an der Virgina Tech oder an der Columbine High School, wird der Ruf nach strikterer Regulierung von Handfeuerwaffen laut. Sofort danach verteidigen die Waffenanhänger ihre Überzeugung – mittlerweile tun sie es teils sogar proaktiv.

Politisch ändert sich aber nichts. Das Recht der Amerikaner, Waffen zu tragen, ist im zweiten Zusatzartikel zur Verfassung verankert:

A well regulated militia, being necessary to the security of a free state, the right of the people to keep and bear arms, shall not be infringed.

Milizen können inoffiziell oder als National Guards organisiert sein können. Dass sich das Recht, Waffen zu tragen, nicht nur auf sie bezieht, hat der Supreme Court in den letzten Jahren bestätigt.

Die Lobbygruppe der Waffenträger ist die National Rifle Association. Daher steht sie bei Vorfällen wie in Newtown jedes Mal im Kreuzfeuer der Kritik – dieses Mal schweigt sie. Ihre Facebook-Seite ist gelöscht, der letzte Eintrag bei Twitter stammt vom 14. Dezember, kein Eintrag auf ihrer Website ist jünger. Das ist vor allem eins: Ein Eingeständnis von mangelhafter Öffentlichkeitsarbeit. Das Schweigen wiegt umso schwerer, weil die Waffen, die der Attentäter nutzte, legal erworben und ordnungsgemäß angemeldet waren. Denn das Hauptargument der Waffenfreunde ist: Wenn man den rechtschaffenen Amerikanern die Waffen wegnimmt, bleiben sie nur den Verbrechern – und wie sollen wir uns dann gegen die wehren?

Allein: In den USA werden rund 10.000 Morde im Jahr mit Handfeuerwaffen ausgeübt; das sind zwei Drittel aller Morde. 2009 gab es über 300 Millionen Handfeuerwaffen – die Hälfte der Amerikaner gibt an, eine zu besitzen. Wer könnte hier politische Änderungen einführen?

Demokratische Senatoren haben angekündigt, als Reaktion auf Newtown Gesetzesvorschläge zum Verbot von Sturmgewehren und zum verpflichtenden Hintergrund-Check beim Waffenkauf einzureichen. Das allein hätte Newtown aber nicht verhindert – der Attentäter nutzte neben einem Sturmgewehr auch zwei Pistolen. Die Hintergrundchecks in Connecticut sind allerdings nicht einheitlich und umfassend. Auch hier unterscheidet sich die Gesetzgebung von Staat zu Staat. Präsident Obama hat indes angekündigt, sein Amt zu nutzen, um Vorfälle wie diesen zu vermeiden. Wohlgemerkt – er hat nicht angekündigt, strikere Regeln zum Waffenbesitz einzuführen. Dafür hat ihn der einflussreiche Bürgermeister New Yorks, Michael Bloomberg, harsch kritisiert – er nannte Obamas bisherige Gesetzgebung „lächerlich“.

Bloombergs ehemalige Parteifreunde von den Republikanern sind jedoch in der Breite gegen striktere Regeln – und können sich dabei auf den inoffiziellen Medienarm der Partei, Fox News, verlassen. Nur wenige Stunden nach der Tat veröffentliche die Website von Fox News einen Kommentar, der sich eine Debatte über Waffengesetze verbittet – eine solche Tragödie dürfe nicht als politische Chance gesehen werden:

It disturbs me greatly that literally hours after one of the worst events in modern American history, media pundits and publications […] are politicizing the murder of kindergarten students to further their gun control agenda.

Der Artikel selbst tut natürlich das Gleiche, versucht dabei aber, die moralische Oberhand zu wahren. Der Medienmogul Rupert Murdoch, Besitzer von Fox News, verwirrte indes seine Twitter-Follower mit einem Eintrag, der der Agenda seiner eigenen Medien widerspricht: „When will politicians find courage to ban automatic weapons?“ Obwohl sich das nur auf automatische Schusswaffen bezieht, die der Täter nicht einmal nutzte, erntete Murdoch eine Menge Hohn und Ärger. Umgekehrt will der liberale Sender MSNBC ähnliche Taten nutzen, um striktere Regeln ins Gespräch zu bringen. Die beiden Sender bilden die politischen Extreme des Mainstreamfernsehens in den USA.

2011 waren laut einer Gallup-Umfrage 44 Prozent der Amerikaner für striktere Gesetze zum Waffenkauf, nur elf Prozent für laxere. Ob sich diese Zahlen nach Newtown ändern, ist die eine Frage – ob es tatsächlich politische Konsequenzen geben wird, die andere.

Oft sind es nicht die großen wirtschaftlichen Probleme, die in der Politik die Gemüter erregen. Obwohl sich Mitt Romney und Barack Obama im Wahlkampf dieses Jahr vor allem die wirtschaftliche Entwicklung der USA vorgenommen hatten, gibt es viele Reizthemen, die für die Entwicklung einer Nation weniger wichtig sind, aber oft das Leben der Bürger ebenso stark betreffen. Wie also steht der Präsident der Vereinigten Staaten zu Marihuana, Homo-Ehe und Abtreibung?

Marihuana

Wie Obama in seiner eigenen Autobiografie geschrieben hat, rauchte er in seiner Jugend selbst Marihuana – und das mehr als gelegentlich. Als Politiker ist er jedoch gegen die Legalisierung der Droge. 17 Staaten erlauben medizinisches Marihuana, die Staaten Washington und Colorado seit kurzem auch den „recreational use“. Bundesgesetz verbietet Marihuana.  Das Verhältnis zwischen Staats- und Bundesgesetzen ist in den USA generell oft gespannt, und die Zahl der Razzien auf die Hersteller von medizinischem Marihuana ist während Obamas Präsidentschaft gestiegen. Obwohl er die Staatsgesetze respektiere, sei es nie seine Ansicht gewesen, dass der massenhafte Anbau der Droge geduldet werden solle, sagte Obama dazu. Das Rolling Stone Magazine fasst dieses juristische und politische Chaos zusammen – eine klare Linie lässt sich jedoch nicht erkennen.

Gleichgeschlechtliche Ehe

Mittlerweile können Homosexuelle in neun amerikanischen Bundesstaaten und dem District of Columbia heiraten. Ein Gesetz auf Bundesebene, der Defense of Marriage Act, definiert Ehe aber als die Verbindung eines Mannes mit einer Frau. Dieses Gesetz gibt Bundesstaaten die Möglichkeit, eine gleichgeschlechtliche Ehe, die in einem anderen Staat geschlossen wurde, nicht anzuerkennen. Als Senator hatte Barack Obama die Ehe ebenfalls im Sinne dieses Gesetzes definiert. Obwohl er für die Gleichbehandlung homosexueller Partnerschaften als Civil Unions einstand, basierte seine Vorstellung der Ehe auf der traditionellen, christlich geprägten Idee. Im Laufe seiner Präsidentschaft hat sich seine Einstellung allerdings geändert. 2011 hat er das Justizministerium angewiesen, den Defense of Marriage Act nicht mehr gerichtlich zu verteidigen.  Dass North Carolina dieses Jahr in einer Abstimmung das Verbot der Homo-Ehe bestätigte, nannte Obama enttäuschend. Im Mai unterstützte er schließlich öffentlich die Ehe – seine Einstellung nannte er immer in der Entwicklung begriffen.

Abtreibung

Viele Religionsgemeinschaften in den USA versuchen, das Thema Abtreibung zu besetzen. Der Abbruch der Schwangerschaft bleibt ein massives Streitthema in der amerikanischen Gesellschaft – die Fraktionen Pro Choice und Pro Life weichen keinen Schritt von ihren Positionen ab. 1973 entschied der Supreme Court im Präzedenzfall Roe v. Wade, dass Frauen generell ein Recht auf Abtreibung haben, wenn auch in gewissen Grenzen. Obama unterstützt dieses Recht. In einem Interview im Wahlkampf 2008 sagte er, dass er die Entscheidungsfreiheit der Frau unterstützt, Abtreibungen aber vermeiden will – Obama setzt auf Aufklärung und Verhütung. Gerade diese Einstellung wird aber oft angegriffen. Erst letztes Jahr etwa stimmten Bürger in Mississippi über ein Gesetz ab, das den Beginn des Lebens im Moment der Empfängnis definiert – und so selbst viele Verhütungsmittel verboten hätte. Das Gesetz scheiterte, aber während sich in den letzten Jahren weniger Menschen als Pro Choice bezeichneten, wächst die Zahl der Pro Life-Unterstützer. Obama ist jedoch keiner von ihnen.

Ungewöhnlich bleiben Obamas eigene Aussagen, dass sich seine Einstellungen zu manchen Themen ändern. Ob das authentische Gedankengänge sind oder nur politisches Taktieren, ist dabei offen. Schwierig genug ist es für ihn, seine liberalen Positionen mit seinen christlichen Werten zu vereinen, ohne unseriös zu wirken. Das ist besonders bei den Fragen der Homo-Ehe und der Abtreibung kritisch, die beide oft vor religiösem Hintergrund diskutiert werden. Darüber hinaus hat der Präsident der USA generell innenpolitisch eine schwächere Haltung, als es nach außen scheint. Dies zeigt sich an den oft konfligierenden Rechtssprechungen von einzelnen Bundesstaaten und der Bundesregierung.

Nicht nur die Nachrichtenmedien müssen sich veränderten Konsumgewohnheiten anpassen – auch die klassischen Plattenfirmen sehen sich mit völlig neuen Möglichkeiten konfrontiert, die das etablierte System auf den Kopf gestellt haben. Aber: Noch ist die Macht der Major Labels über ihre Künstler erdrückend. Die Verträge sollen Musiker im Erfolgsfall langfristig zu binden – und absichern, dass das Label einen großen Anteil am Umsatz haben wird. Doch nur die wenigsten Künstler werden überhaupt erfolgreich, das heißt, können die Vorauszahlungen, die das Label für Aufnahme und Produktion leistet, durch Verkäufe wieder einbringen. Der große Rest bleibt der Firma die Zahlungen schuldig. Die Rechte für die Lieder gehen an das Label. Und diejenigen Bands, die es aus der grauen Masse herausschaffen und deren verkauften Platten in die Millionen gehen, sehen sich plötzlich in einem Vertrag gefangen, der in keinem Verhältnis zum Erfolg der Musik steht. Neuverhandlungen scheitern oft; Bands verdienen weniger als einen Dollar an einem verkauften Album, das für den Endverbraucher schon einmal 20 Dollar kosten kann. Der Rest geht zu einem großen Teil an das Label.

Wie Musikmanager Simon Napier-Bell es beschreibt: “[It] soon became clear that in the music business you didn’t get out of an unfair record contract to get into a fair one; you get out of an unfair contract to get into another unfair one, but with slightly better terms.” Dennoch: In den nächsten Jahren aber wird die Macht der Major Labels  zurückgehen. Die Firmen, die seit Jahrzehnten ein Oligopol auf dem Musikmarkt innehaben, werden an Einfluss verlieren.

Die Umstände der Popmusik in den letzten Jahrzehnten waren vor allem eins: begrenzt. Diese Plattenfirmen hatten ein begrenztes Budget, um Bands unter Vertrag zu nehmen und Aufnahmen, Tourneen und Merchandise zu finanzieren. Radiosender konnten nur eine begrenzte Zahl an Songs am Tag spielen, und die Zahl der Sender war begrenzt von den Frequenzen. Werbung für Musik war begrenzt von der Zahl der Plakatwände, dem Höchstmaß an Werbung in Fernseh- und Radiosendern und der maximalen Seitenzahl von Zeitschriften. Plattenläden hatten nur begrenzten Platz, um Platten auszustellen, und nur begrenzte Mittel, Platten anzukaufen. Der Verbraucher hatte nur begrenzte Möglichkeiten, Musik zu entdecken, je nachdem, wo er wohnt; das heißt, welche Sender er empfängt oder wie viele Läden es in seinem Umkreis gab.

Vom Radio ins Internet

Das alles hat sich mit dem Aufkommen des Internets geändert. Die Vormachtsstellung der Major Labels war, und ist heute noch, auch ihre Infrastruktur und ihre Macht über das System des Vertriebs und der Promotion von Musik. Download-Seiten wie iTunes oder Musicload werden aber immer beliebter und erfolgreicher. Streaming-Dienste wie Spotify, Grooveshark und Pandora machen es in der Zeit des mobilen Internets einfach, Zugriff auf nahezu unbegrenzt viel Musik zu bekommen. Der Gedanke, mit diesen neuen Formen des Vertriebs den Mittelmann, also die Plattenfirmen, auszuschalten, liegt da nahe. Denn wenn die Nutzer im Internet nach einer Aufmerksamkeitsökonomie handeln und den besten Bands die meiste Beachtung schenken, braucht es weniger klassische Werbung – also weniger Unterstützung der großen Plattenfirmen. Zusätzlich wird Musik günstiger, weil Kosten für Verpackung gespart werden können. Das macht legale Downloads für den Konsumenten attraktiv.

Im Internet können Bands ihre Musik selbstständig und effektiv bekannt machen, und haben so die Chance, sich dem Einfluss der Major Labels zu entziehen. Der wichtigste Faktor für die Bekanntheit einer Band war bisher das Airplay, also die Häufigkeit, mit der Songs im Radio gespielt wurden. Radiostationen waren abhängig von den Musikunternehmen, die Alben und Singles zur Verfügung gestellt haben; auf der anderen Seite war und ist es nicht ausgeschlossen, dass eine Plattenfirma einen Sender bezahlt hat, um eine Single eines Künstler besonders oft zu spielen. Aber obwohl der durchschnittliche Radiokonsum am Tag nicht sinkt, sondern im Gegenteil sogar steigt, gilt Radio als Nebenbei-Medium, das heißt, es wird selten aufmerksam gehört. Um neue Bands zu entdecken, gibt es heute unzählige Möglichkeiten im Internet: Empfehlungen in Social Media oder Rezensionen in Blogs weisen auf Bands hin, die sich auf Last.FM, Soundcloud, Myspace, Youtube oder Bandcamp selbst promoten können. Um die Musik einer Band bekannt zu machen, bietet das Internet geradezu demokratische Möglichkeiten.

Dass vormals unbekannte Bands im Internet entdeckt und große Bekanntheit erlangt haben, ist dabei keine Utopie, sondern Fakt. Der wohl bekannteste Fall dafür ist der Kanadier Justin Bieber, dessen Youtube-Videos einem Musikmanager aufgefallen waren. Ein weiteres Beispiel ist die britische Gruppe Arctic Monkeys, die ohne Plattenvertrag erfolgreiche Konzerttourneen gespielt haben und selbstaufgenommene EPs verkaufen konnten. Beide haben dann den Sprung zum Plattenvertrag gemacht – ein Schritt, der vielleicht in Zukunft überflüssig sein wird.

Plattenfirmen umgehen

Der reine Selbstvertrieb der Musik muss kein Minusgeschäft sein: Bekannte Künstler wie Radiohead oder Prince veröffentlichten Alben gar nicht erst auf CD, sondern ausschließlich als Download – mit einem außergewöhnlichen Preissystem. Das Radiohead-Album In Rainbows wurde 2007 auf der Internetseite der Band für einen Preis angeboten, den der Kunde selbst wählen konnte; der Vertrag der Band bei ihrem Label war ausgelaufen. Der Kunde konnte sich auch entscheiden, nichts zu zahlen, und durfte das Album dennoch herunterladen. Man schätzt, dass die Band mit diesem Vertriebsweg erheblich mehr eingenommen hat, als wenn sie ihr Album auf traditionellem Wege angeboten hätten, und insgesamt mehr Menschen das Album gehört haben, weil der mögliche kostenlose Download attraktiv ist. Dabei basiert die Bekanntheit natürlich schon auf vergangenen Erfolgen – trotzdem zeigt das Beispiel, dass sich Musiker vom traditionellen Vertrieb lösen können.

Die Major Labels behandeln ihre Musiker schlecht im Glauben, unersetzlich zu sein. Diese Arroganz ist aber unangemessen und trägt zu ihrem negativen Image bei. So sind die Verträge, die mit Musikern geschlossen werden, veraltet – zum Vorteil der Labels. Schon beim Mediumsumbruch zwischen LP und CD wurden Verträge nicht angepasst. Kosten für das Jewel Case, die Standardhülle für CDs, wurden oft weiterhin zu hoch angegeben. Aktuell werden noch immer in Verträgen Kosten für Verpackung und ähnliche Posten für alle verkauften Einheiten berechnet – Kosten, die aber beim Vertrieb digitaler Dateien über das Internet schlicht nicht mehr anfallen. Angesichts der steigenden Verkaufszahlen von legalen Downloads und dem Rückgang an CD-Käufen wirkt das besonders bizarr. Viele Verträge, die teils auf zehn Jahre und mehr geschlossen wurden, sind letztlich ein Relikt der Vergangenheit und tragen zum Unmut der Musiker bei, die sich nicht aus ihnen befreien können.

Independent als Zukunft?

Als Alternative zum Selbstvertrieb scheinen klassische Independent Labels unrealistisch, obwohl diese kleineren und dem Namen nach unabhängigen Firmen oft vergleichsweise faire Verträge bieten und sich viele Künstler dort besser aufgehoben und beraten fühlen. Es gibt zwar eine Vielzahl kleiner und winziger Labels – aber seit den 90er-Jahren sind auch die großen Unternehmen auf sie aufmerksam geworden. So gehen seit dieser Zeit viele kleine Labels Kooperationen mit Majors ein, um Produktions- und Vertriebskosten zu senken; viele wurden auch schlicht aufgekauft (ein bekanntes Beispiel dafür ist Sub Pop, ein Label, das vor allem Grunge-Bands wie Nirvana unter Vertrag nahm und später von Warner übernommen wurde). Viele große Plattenfirmen gründeten Subunternehmen, also Pseudo-Independent Labels, die schneller auf Veränderungen in der Musikszene reagieren konnten und ihren Besitzern einen Anteil am kommerziellen Erfolg von Alternative-Musik versprach. Tatsächlich vollkommen unabhängige Kleinstlabels dagegen haben im klassischen Modell weder Ressourcen noch Infrastruktur, eine Band überregional zu fördern; im Internet gibt es die aber.

Die Musikindustrie will Stagnation, weil sich Stagnation für sie noch auszahlt; aber diese Realitätsverweigerung wird letztlich der Grund für den Untergang der Major Labels sein. Ein großer Punkt bleibt aber: Die hochwertige Produktion von Musik ist immer noch ein zeitaufwendiger und vor allem teurer Prozess. Musik aus Eigenproduktion im Heimstudio erreicht nur selten die Qualität professionell produzierter Popmusik. Aber auch hier wird sich die Industrie anpassen – ob mit Bankkrediten für Studioaufnahmen oder mehr unabhängigen Studios oder Producern.

Viele der Informationen über die Musikindustrie in diesem Artikel stammen aus dem Buch „Mix, Burn & R.I.P. Das Ende der Musikindustrie“ von Janko Röttgers, das hier unter CC-Lizenz abrufbar ist. Dieser Artikel ist die gekürzte und aktualisierte Version eines Essays, das ich 2011 als Prüfungsleistung an der Uni Mainz eingereicht habe.

Ein Schrecken geht um durch die deutschen Medien: die Insolvenz. In den letzten Monaten hat es die Nachrichtenagentur dapd, die überregionale Tageszeitung Frankfurter Rundschau und die Wirtschafts-Tageszeitung Financial Times Deutschland getroffen. Steigende Auflagen sind sowieso ein Vergangenheitstraum, aber die Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz großer Medien in dieser Form ist neu. Verzweifelt versuchen Verlagshäuser, sich neue Einnahmequellen zu erschließen, um ihre Flagschiff-Zeitungen zu finanzieren – Partnervermittlung, DVD-Serien, Weindekanter.

Aber welche Möglichkeiten gibt es, sich als Zeitung von der Konkurrenz abzusetzen und im Zweifelsfall damit auch noch Geld zu verdienen? Was wohl allen klar ist: Die gedruckte Zeitung wird es nicht ewig geben. Ob in fünf, 15 oder 25 Jahren – wir werden unsere Nachrichten auf Bildschirmen lesen. Daher geht es nicht um die Frage, wie das Printprodukt Zeitung gerettet werden kann, sondern darum, wie journalistische Berichterstattung gerettet werden kann. Das Internet ist hier die zentrale Herausforderung für die Verlage.

Die drängende Frage ist dabei: Wie kann man im Internet Geld verdienen? Mit Online-Werbung alleine kann keine Zeitung ihren Betrieb finanzieren. Seit der Finanzkrise sind die Werbeeinnahmen massiv eingebrochen; darüber hinaus ist Online-Werbung immer noch weitaus billiger als Print-Werbung. Und der andere Teil der Zeitungseinnahmen, der Kaufpreis? Die Geschichte des Internets ist die von freien, kostenlosen Informationen. Die wenigsten sind bereit, plötzlich dafür zu bezahlen, was sie bei der Konkurrenz vielleicht umsonst bekommen.

Geld für Zugang

Trotzdem versuchen es einige Zeitungen mit Bezahlmethoden. Die am weitesten verbeitete ist dabei die Paywall – kein oder nur beschränkter Zugang für Nicht-Zahler. The Times aus London lässt überhaupt kein kostenloses Lesen mehr zu (was sie praktisch ihre komplette Online-Leserschaft gekostet hat), die New York Times bietet nur zehn kostenlose Artikel im Monat an, der Gannett-Verlag hat Paywalls für alle seine 82 Zeitungen (außer USA Today) implementiert – scheinbar erfolgreich. Doch ist auch der Zeitungsmarkt in den Vereinigten Staaten in den letzten Jahren eingebrochen.

In Deutschland sind es vor allem viele regionale Zeitungen, die Geld für Artikel sehen wollen. Große Tageszeitungen wie die Süddeutsche oder die Frankfurter Allgemeine bleiben dagegen vollkommen kostenlos – nur die taz führt eine halbgare Bezahlschranke ein, die sich aber nicht besonders von der alten flattr-Aufforderung unterscheidet. Dabei könnte das Konzept gerade bei Lokalzeitungen aufgehen. Bodo Hombach, Geschäftsführer der WAZ-Gruppe, sieht in lokalen Nachrichten ein großes Alleinstellungsmerkmal. Tatsächlich kann man die DPA-Artikel, mit denen die Mäntel der Lokalblätter gefüllt sind, auch auf Spiegel Online lesen, oder im Zweifel in der Tagesschau die entsprechenden Informationen bekommen. Aber das Derby in der Bezirksliga, die Kreisverwaltungssitzung oder riesigen Schlaglöcher in der Hauptstraße? Das bekommt man nur in der Lokalzeitung.

Dabei ist der Sprung ins Internet aber auch gefährlich. In einem Umfeld, das sich ständig verändert und innovativer wird, kann ein Online-Auftritt schnell altbacken und irrelevant wirken. Die gleichen Artikel, die sowieso in der Printausgabe stehen, einfach nur ins Online-Template einzufügen, ist vielleicht zu einfach. Das Netz bietet eine unübersichtliche Zahl an Darstellungsmöglichkeiten. Bilderserien, Videos, interaktive Grafiken, Podcasts, Blogs – all das gibt es im Print nicht, und kann daher einen Mehrwert für den Leser bedeuten. Die Krux ist: Es muss aber gut gemacht sein. Niemand will sich durch eine Klickstrecke mit 100 Bildern kämpfen, weil ihn eins davon interessiert. Die Mediendaten werden die Klicks freuen, den Leser aber frustrieren und mittelfristig abschrecken. Und das Video, das wie mit der Handykamera gefilmt aussieht, schadet dem Image der Zeitung regelrecht. Hier müssen Zeitungen also abwägen: Was will ich und was kann ich dem Leser bieten? Nicht zuletzt erfordert das auch, neue Mitarbeiter einzustellen – wenn man es richtig machen will.

Neue Konkurrenz

Im Internet muss sich Journalismus mit Qualität von anderen absetzen. Das frühere Alleinstellungsmerkmal – die Möglichkeit der Massenkommunikation – ist für die Verlage dahin. Jeder kann sich einen kostenlosen Blog besorgen und in Konkurrenz zu Zeitungen treten. Wenn der Technik-Redakteur nicht besser ist als der Blogger, ist jeder Grund dahin, für den Zeitungsauftritt zu zahlen. Die Geschwindigkeit der Informationen ist eine weitere Herausforderung. Keine Printzeitung kann mit Online-Redaktionen oder Agenturen mithalten – die Social Media nicht zu vergessen. In Zukunft werden sich Zeitungen neu entscheiden müssen, in welchem Rhythmus sie veröffentlichen wollen. Geht es darum, dem Leser möglichst schnell die neusten Nachrichten zu vermitteln, oder überlässt man das Feld anderen und will mit tiefen oder breiten Artikeln und ausführlichen Analysen Mehrwert bieten? Auch hier werden Zeitungen unterschiedliche Wege eingehen müssen.

Für die Werbeeinnahmen bleibt der Versuch essentiell, möglichst viele Leser auf die eigenen Seiten zu locken. Auch das bedeutet einen Mehraufwand. Einerseits funktioniert das natürlich über die Bindung der Leser, die die Zeitung vielleicht als Lesezeichen markiert haben – dazu muss aber in der Printausgabe auch ständig auf den Onlineauftritt verwiesen werden. Andererseits müssen Zeitungen ihre Arbeit aber auch über Social Media wie Facebook und Twitter bewerben, was wieder neue Kosten und zusätzliche Arbeitsstunden bedeutet. Besonders wichtig ist Search Engine Optimization – das Anbiedern an Google. Umso verwirrender erscheint der Vorwurf vieler Verlage, Google würde vom Inhalt der Online-Zeitungen profitieren. Letztlich ist es umgekehrt. Ohne Verweise von Google wären die Seiten verwaist.

Und nicht zuletzt: Das Internet wird mobil. Smartphones und Tablet PCs werden als Internetzugang immer beliebter. Auch hier dürfen Zeitungen nicht den Anschluss verlieren. Zentral ist hier die Darstellung der Inhalte, die auf den kleineren Bildschirm, den langsameren Prozessor, und die langsamere und eventuell teure Internetverbindung abgestimmt werden muss. Außerdem ist Werbung auf Mobilseiten noch neues Terrain – was funktioniert, was wird abgelehnt? Die Nutzerforschung hinkt hinterher.

Zukunftsmusik

Es ist eine Vielzahl an Herausforderungen, mit denen sich der Journalismus allgemein und die Zeitung speziell konfrontiert sieht. Internet und Wirtschaftskrise haben ein Geschäftsmodell, das hundert Jahre alt ist, sehr schnell auch genauso alt aussehen lassen. Bedenklich ist dabei die Bedrohung der Funktion, die die Presse in einer Demokratie erfüllen soll. Wenn alle Geschäftsmodelle scheitern, die die Verlage probieren, muss man vielleicht über öffentlich-rechtliche Zeitungen im Stil der Rundfunkanstalten nachdenken. Der Unmut gegenüber der Tagesschau-App, die angeblich in Konkurrenz zu privatwirtschaftlichen Unternehmen getreten ist, ist hier aber ein Symptom der Stimmung.

Und bei aller Innovation darf man auch etwas nicht vergessen: Die App der Frankfurter Rundschau war preisgekrönt, dapd hat dpa deutliche Marktanteile abjagen können und neue Sparten gegründet, und die FTD war für ihre Berichterstattung hoch angesehen. Auch bei Medien spielen zu viele Faktoren mit, die man allein mit journalistischer Qualität nicht immer aufwiegen kann.

Der Präsidentschaftswahlkampf in den USA ist vorbei. Jetzt rückt die Bundestagswahl 2013 näher – und zeigt unterschiedliche Einstellungen zu Geld in der Politik, etwa am Beispiel Peer Steinbrücks. Deutlich werden aber auch zwei vollkommen unterschiedliche Systeme, einen demokratischen Wahlkampf zu finanzieren. Wo der eine Staat es zum großen Teil dem Kandidaten überlässt, seine Kampagne zu stemmen, unterstützt der andere die Parteien mit Steuergeldern. Wie funktioniert die Finanzierung in den Vereinigten Staaten, wie in Deutschland?

USA: Spenden und Super PACs

Schon 2008 gaben Barack Obama und sein Kontrahent John McCain allein über eine Milliarde Dollar im Wahlkampf aus; auch 2012 kamen die Kandidaten dieser Summe nahe.

Das Geld für die Wahlkampffinanzierung kommt dabei von kleinen und größeren Spendern, dem Privatvermögen der Kandidaten und sogenannten Political Action Committees (PAC) – Organisationen, die Wahlkampf betreiben. Dafür gibt es aber Limits: Privatpersonen, Unternehmen oder Gewerkschaften können den Kandidaten, ihren Parteien oder ihren PACs nur eine bestimmte Summe zukommen lassen. PACs wiederum dürfen nur gewisse Summen direkt der Kampagne eines Kandidaten zukommen lassen, aber unabhängig Werbung betreiben. Außerdem exisitiert ein Programm zur staatlichen Förderung des Wahlkampfes, das die Kandidaten aber stark in ihren Ausgaben einschränkt. Diese Regelungen werden von einer unabhängigen Behörde auf nationaler Ebene, der Federal Election Commission, überwacht.

Mit zwei kontroversen richterlichen Entscheidungen 2010 mussten sich die Kandidaten allerdings nicht mehr nur auf sich selbst und ihre Partei verlassen, was Spenden angeht. Die „Super PACs“ können Spenden in unbegrenzter Höhe von Privatpersonen, Firmen und Gewerkschaften annehmen – unter der Voraussetzung, dass sie sich nicht mit der Kampagne eines Kandidaten koordinieren. Solche Organisationen haben 250 Millionen Dollar im Wahlkampf für die Unterstützung einzelner Kandidaten ausgegeben. Ingesamt gibt es etwa 1100 Super PACs, von denen aber nur wenige auch im Präsidentschaftswahlkampf mitgewirkt haben.

Super PACs stehen in der Kritik. Die Bürger, die sich der Existenz dieser Organisationen und ihrer Möglichkeiten überhaupt bewusst sind, glauben in der großen Mehrheit, dass sie sich negativ auf den Wahlkampf auswirken. Auch die Presse äußert sich meist besorgt über den großen Einfluss, den reiche Privatleute so auf den demokratischen Prozess haben können.

Deutschland: Staat und Mitglieder

Mitgliedsbeiträge, Spenden und Staatsmittel bilden die Grundlage der Parteifinanzierung in Deutschland, die wiederum die Wahlkämpfe finanziert. Staatliche Förderung erhalten Parteien, die bei der letzten Europa- oder Bundestagswahl mehr als 0,5 Prozent oder bei der letzten Landtagswahl mehr als 1 Prozent der Stimmen erreicht haben. Diese Parteien erhalten Geld pro Wählerstimme, außerdem einen Aufschlag auf  „Zuwendungen“, also Spenden und Mitgliedsbeiträge.

Dabei gibt es eine Obergrenze, die bisher per Gesetz festgelegt war. Für 2012 betrug diese Grenze 151 Millionen Euro, ab 2013 wird der Betrag jährlich angespasst. Weil Parteien aber nicht hauptsächlich vom Staat finanziert werden dürfen, kann die Förderung pro Partei nicht deren Eigeneinnahmen übersteigen. Deswegen erhalten die Parteien nicht die vollen Mittel, die ihnen pro Wählerstimme zustehen würden, sondern gekürzte Beträge. Laut dem Rechenschaftsbericht der politischen Parteien nahm die CDU so im Jahr 2010 etwa 138 Millionen Euro ein, davon knapp 18 Millionen Euro an Spenden. Die SPD nahm 147 Millionen Euro ein, davon knapp 10 Millionen Euro an Spenden. Den Großteil machen jeweils die Mitgliederbeiträge aus.

Für den Bundestagswahlkampf 2009 gaben die Bundestagsparteien nur rund 60 Millionen Euro aus – ein winziger Betrag im Vergleich zu den Ausgaben der amerikanischen Kandidaten.

Warum?

Im Vergleich zu dem Spendenaufkommen und den Wahlkampfkosten in den USA fällt so leicht die Relevanz der staatlichen Förderung der Parteien in Deutschland auf. Auf den Wahlkampf bezogen, kommen aber noch mehr Faktoren ins Spiel. In den USA gibt es durch die größere Bevölkerung mehr Potenzial für Spenden, die Parteien brauchen aber auch mehr Personal für den Wahlkampf, was höhere Lohnkosten und Spesen bedeutet, Werbung in den nationalen Zeitungen und Fernsehsendern kostet weitaus mehr als in deutschen Medien, Plakatwerbung ist teuer, wenn man das ganze Land damit abdecken will, die Reisekosten, etwa der Kandidaten, sind in dem großen Land höher – und schon der parteiinterne Wahlkampf um die Nominierung als Präsidentschaftskandidat kostet viel Geld und muss mit Spenden oder privat finanziert werden.

Hinter der Parteien- und Wahlkampffinanzierung in den beiden Ländern stehen gänzlich unterschiedliche Philosophien. Welcher Weg der richtige ist, bleibt Ansichtssache. Dass es in beiden Systemen Probleme und Fehler gibt, zeigen etwa Spendenaffären auf der einen und plutokratische Züge auf der anderen Seite.

Seit es die ersten Zeitungen gab, lagen Journalismus und Politik in einem Spannungsfeld. Lange war die Machtverteilung klar: Was der Politik, also dem König, dem Fürsten, dem Bischof, nicht gefiel, wurde verboten. Das hat sich geändert: Heute wird der Presse eine tragende Rolle im demokratischen Prozess zugeschrieben. Dafür gibt es eine Reihe von Privilegien, die das ermöglichen sollen – etwa eine verminderte Mehrwertsteuer, ein Zeugnisverweigerungsrecht vor Gericht oder erschwerte Fusionen von Medienkonzernen, um ein Meinungsmonopol zu verhindern. Das alles basiert auf dem Artikel 5 des Grundgesetzes, der die Meinungs- und Pressefreiheit bestimmt.

Das ist die Theorie. Es gibt aber in Deutschland nicht nur einen Machtkampf zwischen Medien und Politik, sondern auch eine Schnittmenge. Die findet sich so deutlich wie sonst kaum in den öffentlich-rechtlichen Runfunkanstalten. Deren Rundfunkräte (beim ZDF: Fernsehrat) haben unter anderem folgende Aufgaben (hier am Beispiel des SWR):

„Der Rundfunkrat vertritt die Interessen der Allgemeinheit auf dem Gebiet des Rundfunks; dabei trägt er der Vielfalt der Meinungen in der Bevölkerung Rechnung. Er wacht darüber, dass der SWR seine Aufgaben nach diesem Staatsvertrag erfüllt […] und übt die ihm hierzu eingeräumten Kontrollrechte aus“

– §15.1 des Staatsvertrages über den Südwestrundfunk

In diesem Staatsvertrag findet sich auch eine lange Liste von Institutionen, die Mitglieder in den Rat entsenden dürfen. Darunter mit den meisten Vertretern: Die Regierungen und Landtage. Das heißt, dass einzelne Politiker nicht nur über Gesetze die Presse beeinflussen können, sondern ganz konkret als Mitglieder eines Rundfunk- oder Fernsehrates eine Kontrollfunktion innehaben.

Das scheint nicht zu reichen.

Hans Michael Strepp ist als Pressesprecher der CSU zurückgetreten, nachdem bekannt geworden war, dass er die Berichterstattung des ZDF über den bayrischen SPD-Parteitag verhindern wollte. Eine Weigerung des ZDF, so soll er gesagt haben, werde „Diskussionen“ mit sich führen. Der ehemalige Chefredakteur des ZDF erklärt das so:

„Wenn jemand beim ZDF mit Diskussionen droht, dann meint er damit die Behandlung des Falls im Programmausschuss Chefredaktion.“

Nikolaus Brender zu zeit.de

Das bedeutet: Der Sprecher einer Partei droht mit personellen Konsequenzen, um freie Berichterstattung zu verhindern – weil er sich der Machtposition seiner Partei bewusst ist. So sitzt etwa Alexander Dobrindt, CSU-Generalsekretär, im ZDF-Fernsehrat und dem Programmausschuss Chefredaktion. Das alles ist außerdem kein Novum.

Ist es nun ein „Interesse der Allgemeinheit“, dass Europas größte Sendeanstalt nicht über die größte Oppositionspartei in einem der größten Bundesländer berichtet? Außer Dobrindt sitzen seine Parteifreunde Angelika Niebler und Heinrich Traublinger im Rat, allerdings als Vertreter anderer Organisationen. Insgesamt sind es eben nicht nur die Vertreter von Bund, Ländern und Regierungen, die ein Parteibuch haben; viele Vertreter anderer Organisationen sind gleichzeitig Mitglied einer Partei.

Die Affäre um Hans Michael Strepp verdeutlicht nur noch einmal einen alten Kritikpunkt am öffentlich-rechtlichen Fernsehen: Wie sollen die Anstalten journalistisch integer und möglichst objektiv berichten, und das auch gerade über die Politik, wenn Teile ebenjener Politik in den Gremien sitzen, die ihre Tätigkeit überwachen?

Die privaten Runkfunkanstalten können diese Aufgabe nicht übernehmen, wenn sie sich mit dem Einhalten der Mindestanforderungen zufriedengeben (und außerdem bestehen die Landesmedienanstalten, die sie kontrollieren, auch zum Teil aus Politikern). Wie man es auch drehen oder wenden mag: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wurde absichtlich von der Bundesregierung abgekoppelt, um schwieriger beeinflussbar zu sein. Wenn er im Interesse der Allgemeinheit arbeiten soll, dürfen die Parteimitglieder in den Räten nur genau das tun, was ihre Position vorsieht – ihre Partikularinteressen korrumpieren den Journalismus.